Schlauer werden mit Zombies, Werwölfen und Vampiren

Die Untoten und die Philosophie

Seit Bram Stoker in seinem Werk "Dracula" vor über 100 Jahren den Begriff der "Untoten" eingeführt hat, beherrschen diese die Popkultur. In regelmäßigen Abständen - so wie gegenwärtig etwa mit der "Biss"-Trilogie von Stephenie Meyer - erleben Vampire und Zombies in Büchern, Kinofilmen und Fernseh-Serien Wellen der Popularität.

Lebendig oder untot?

Untote Monster als Fundus für seriöse theoretische Untersuchungen? Gleich in der Einführung verweisen die Herausgeber auf die lange, "bis zu Sokrates und noch davor" zurückgehende Tradition, popkulturelle Phänomene zu bemühen, um abstrakte philosophische Gedanken schmackhaft zu machen.

An Gevatter Tod als zentralem Rätsel unseres Daseins haben sich seit jeher die klügsten Geister die Zähne ausgebissen. Schon deshalb ist der Zustand des Untot-seins ein überaus spannender Ausgangspunkt für Fragen hinsichtlich Präsenz, Identität und Wert. Im buchstäblichen Sinn sind wir als lebende Menschen ja alle "untot". Aber was bedeutet dieser Zustand? Dass man am Leben und gleichzeitig tot ist? Oder weder noch?

Kann man untot und doch noch nicht gestorben sein? Wird man untot geboren? Wird einer zum Untoten, weil er mit Unsterblichkeit geschlagen ist wie der mythische Tithonos? Kann jemand trotz Aussendens heftiger Lebenszeichen untot sein?

Erinnerungen an früher

"Es lebt - irgendwie" ist der erste Teil der vielschichtigen Annäherungen an das Phänomen der Untoten betitelt. Für die meisten der 14 beitragenden Philosophen steht dabei die Frage der Identität im Mittelpunkt. Wer sind wir als Untote? Wenn wir gebissen oder auf andere Weise infiziert und zum Untoten werden, bleiben wir die Person, die wir waren? Bleiben wir diese ganz oder teilweise?

Während Vampire oft so dargestellt werden, dass sie durchaus Erinnerungen an ihr früheres sterbliches Leben haben, manchmal sogar Interessen oder Leidenschaften abseits ihrer blutigen Gier entwickeln, scheint Zombies, außer dem Äußeren, alles Menschliche fremd zu sein. Doch gerade diese äußere Erscheinung macht sie so oft zur tödlichen Gefahr. In unzähligen Filmen müssen eingeweihte Helden immer wieder darauf hinweisen, dass es ein fataler Irrtum wäre, zu glauben, bei den grunzenden Monstern handle es sich immer noch um liebe Angehörige.

William S. Larkin meint in seinem Aufsatz, dass dieser intuitive Glaube an die Menschlichkeit der Zombies ein Indiz für unser "körperliches" Denken sei.

Wenn uns der unverwechselbare Schrecken und die Tragödie des Genres der Untoten so nahe gehen, dann glauben wir offenbar, dass es sich bei der Person im tiefsten Grund nicht um eine res cogitans, sondern vielmehr um eine res corporealis handelt.

Zentrale Thesen des menschlichen Daseins

Während Zombies offenbar nicht anders können, als ihren einzigen inneren Auftrag - Menschenfleisch zu lukrieren - mit Nachdruck zu verfolgen, scheint es für fortgeschrittene Vampire durchaus möglich, Menschen zu verschonen, indem sie auf Tierblut umsteigen. Für den Philosophen Wayne Yuen ein interessanter Aspekt, um ihrer und unserer Moral auf den Grund zu gehen. Ja, er geht in seiner Argumentation sogar so weit, dass er meint, wir Menschen verhielten uns auch wie Vampire, da wir vernünftigerweise auch auf Fleisch verzichten und damit tierisches Leid verhindern könnten. Das ist nur eine von vielen Thesen, die auf verblüffende Weise zeigen, wie aktuell und alltäglich man ein scheinbar lebloses Thema behandeln kann.

Leichtfüßig im Ton, wissenschaftlich sehr präzise und mit mehr oder weniger dogmatischem Ansatz erkunden die Aufsätze zentrale Thesen des menschlichen Daseins. Ob es nun gut oder schlecht ist, zu ewigem Leben verdammt zu sein, ob es moralisch in Ordnung ist, einen Zombie abzuschlachten oder ob uns Menschen der Kampf gegen die Untoten wenigstens vereint, diese und noch viel mehr Fragen machen vor allem Lust auf eines: auf die Philosophie, eine Disziplin, die durch derart clevere und witzige Bücher für manche sicher weniger gruselig erscheint, als davor.

Das Böse und das Schlechte

Da Tod und Untod offenkundig etwas gemeinsam haben - beide stellen einen Gegensatz zum Leben dar -, könnte sich zeigen, dass das Ablehnenswerte am Tod dasselbe ist, was auch das Untotsein so bösartig macht. Zum wenigsten könnte sich der Blick auf das Schlechte am Tod als nützlicher Ausgangspunkt für unsere Untersuchung des Bösen oder Schlechten am Untotsein herausstellen.

Die Herausgeber geben abschließend kein Versprechen ab, dass der Inhalt des Buches am Tag X irgendeinen praktischen Nutzen haben könnte. Wenn tatsächlich einmal die Toten aus ihren Gräbern steigen und die Bretter runterreißen, mit denen wir in letzter Sekunde unsere Fenster vernagelt haben, werden wir ihnen wenig entgegen zu setzen haben. Wenn sie also ihre Zähne gierig in unseren Hälsen versenken oder mit eisigem Todesgriff unser wild pochendes Fleisch zerfleddern, können wir aber zumindest auf philosophisches Vokabular zurückgreifen und versuchen, den real erlebten Horror in schöne Worte zu fassen, bevor wir unschön ins Reich der Untoten eingegliedert werden.

Service

Richard Greene & K. Silem Mohammad (Hsg.), "Die Untoten und die Philosophie. Schlauer werden mit Zombies, Werwölfen und Vampiren", aus dem Amerikanischen übersetzt von Christina Schmutz und Frithwin Wagner-Lippok, Klett-Cotta Verlag

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