Armutskonferenz in Wien

"Wachstum ist nicht gleich weniger Armut"

Über eine Milliarde Menschen haben nicht genug zu essen. Fast 100 Millionen Kinder weltweit können nicht in die Schule gehen. Armut ist nach wie vor eines der größten Problem, dem wir Menschen uns gegenüber sehen. Derzeit tagt eine Konferenz über Armut in Wien. Martin Schenk, dem Vorsitzenden der Armutskonferenz betont: Mit dem Reichtum der Länder wird die Armut nicht automatisch geringer.

Mittagsjournal, 02.10.2010

Wachstum und Reichtum nicht direkt proportional

Die Wirtschaft in armen Ländern stärken, armen Menschen in an sich reichen Ländern mehr Geld zukommen lassen: So einfach ist es nicht. Gerade die Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte hat gezeigt: Auch wenn die Wirtschaft insgesamt wächst, heißt das nicht, dass die Armut zurückgeht, sagt Martin Schenk, Vorsitzender der österreichischen Armutskonferenz: "Früher war das Credo, wenn die Wirtschaft wächst, dann wird die Ungleichheit geringer. Da hat man gesagt, dann gibt es mehr Jobs und dann gibt es weniger Arme. Aber die Entwicklung hat sich abgekoppelt."

Große Ungleichheit für Mittelschicht schlecht

Es gilt nicht unbedingt, dass die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden, meint Schenk. Aber die Reichen würden viel stärker profitieren, wenn die Wirtschaft wächst. Das gilt für reiche, wie für arme Länder. Und es zeige sich: Der wichtigste Faktor ist, wie groß die Kluft zwischen Arm und Reich in einem Land ist. "In den Ländern, wo die soziale Schere nicht so auseinanderklafft, geht es auch der Mittelschicht besser."

In Ländern mit großer Ungleichheit in der Verteilung des Reichtums hätten die Armen besonders schlechte Chancen, aus ihrer Situation herauszukommen, sagt Martin Schenk: "Die Länder mit der höchsten Ungleichheit sind interessanterweise auch Länder mit sehr hoher und guter Produktivität, wie die USA und Großbritannien. Dort gibt es eine irre Armutsarte, aber keine Proteste dagegen. Die Leute resignieren."

Schenk: Reiche sollen Beitrag leisten

Die Wirtschaftskrise wird viele Menschen im Kampf gegen die Armut weit zurückwerfen. Krisen treffen immer die Ärmsten, sagt Martin schenk, das hätten bisher alle Beispiele gezeigt. "Die reisten verlieren zwar Ressourcen, haben aber dann noch immer genug um bei Besserung der Wirtschaft das Geld sofort wieder zu investieren. Bei den Armen ist das so: Ist das Sparbuch, der Job weg folgt der Absturz. Man muss dieser sozialen Ungleichhiet nach der Krise also entgegenwirken." Und zwar, indem man jetzt den Reichen einen Beitrag abverlangt. Der Vorsitzende der Armutskonferenz verlangt etwa Vermögenssteuern und Steuern auf Finanzgeschäfte.

Mehr Bildung, mehr Produktivität

Dass das die Armut nicht beseitigen wird, räumt auch Martin Schenk ein. Das Problem an der Wurzel zu packen, heißt für ihn, Menschen zu Bildung zu verhelfen. "Wenn eine Schule integrativ ist und es schafft auch den unteren Schichten zu höherer Bildung zu verhelfen, dann bringt das auch der Gesellschaft etwas. Höhere Bildung bedeutet nämlich höhere Produktivität für eine Gesellschaft."

Und eines zeigen alle Beispiele, sagt Martin Schenk, Vorsitzender der Armutskonferenz: Länder, die es schaffen, schon kleinen Kindern ab drei Jahren die gleichen Bildungschancen zu geben, sind besonders erfolgreich im Kampf gegen die Armut.

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