Neues Buch von Frederic Beigbeder

Ein französischer Roman

Der französische Schriftsteller Frederic Beigbeder gilt als "enfant terrible" der französischen Literaturszene - und das nicht ganz zu Unrecht. Ausgangspunkt für sein neuestes Buch ist seine Festnahme wegen Drogenkonsums. Während der 36 Stunden andauernden Verwahrungshaft unternimmt Beigbeder eine Reise in die Vergangenheit und schreibt in der Folge einen autobiografischen Roman.

Dass er dieses Genre in seiner Rolle als Literaturkritiker bisher immer verachtet hat, gehört zu den Widersprüchen des Frederic Beigbeder. Das Buch trägt den Titel "Ein französischer Roman" und ist gerade auf Deutsch im Piper-Verlag erschienen.

Mittagsjournal, 04.10.2010

"Ein französischer Roman" ist das neunte Buch von Frederic Beigbeder, vor allem aber eines, das er eigentlich nie schreiben wollte, wie der Schriftsteller betont, der meint, nie Lust verspürt zu haben, sich mit seiner Vergangenheit auseinanderzusetzen:

"Das hat mich einfach nie interessiert. 20 Jahre lang habe ich Bücher geschrieben, die von der Gegenwart und vielleicht der Zukunft sprechen, Geschichten von zynischen sexuell besessenen Typen, von Machos, die in Nachtlokale gehen, Prostituierte treffen. Aber ich habe mich nicht für meine Vergangenheit interessiert; ich war überzeugt, dass meine Generation nichts Interessantes zu erzählen hat. (...) Und dann habe ich mir zum ersten Mal gesagt, selbst wenn meine Geschichte etwas Banales, Gewöhnliches ist, will ich sie erzählen, die Geschichte meiner Generation.

Bausteine eines Lebens

Und so erzählt Beigbeder in seinem letzten Roman seine Kindheit: das konfliktreiche Verhältnis zum erfolgreichen Bruder, die privilegierte Beziehung zum Großvater, die als dramatischen Einschnitt erlebte Scheidung der Eltern - Bausteine eines Lebens, an die er zuvor keine Erinnerung hatte, wie Beigbeder betont, der immer wieder sagt, er habe unter Gedächtnisschwund gelitten bis zu jener für ihn so dramatischen Nacht im Jänner 2008, in der er wegen Drogenkonsums festgenommen wird.

"Man müsse nur im Gefängnis sitzen, dann taucht die Erinnerung wieder auf", schreibt Beigbeder, und auch: "Was ich für Amnesie hielt, war vielleicht die Freiheit."

"Dass ich jeden Tag ausgegangen bin, vielleicht war das meine Art, vor dieser Amnesie davon zu laufen", so Beigbeder.

Eine "melancholische Kindheit"

Beigbeder spricht in seinem Roman davon dass es "schwer sei, sich von einer unglücklichen Kindheit zu erholen, dass es aber vielleicht unmöglich sei, sich von einer behüteten Kindheit zu erholen". Dass er sich dafür von der Kritik vorwerfen lassen muss, keine richtige Sorgen zu haben und existenzielle Überlebensängste aufgrund seiner Herkunft gar nicht zu kennen, lässt er nicht gelten.

"Ich schreibe eben über das, was ich kenne", sagt er. "Ich hatte das Glück, in Neuilly aufzuwachsen, umgeben von Hausangestellten. Das hat mich nicht daran gehindert zu empfinden, dass ich eine melancholische Kindheit hatte - und ich wäre wohl lächerlich, wenn ich über das Arbeitermilieu schriebe."

Zwischen Exzess und Askese

Dass Beigbeder in seinem "Französischen Roman" davon spricht, dass er - das ewige Kind - jetzt vielleicht zum Mann geworden ist, ändert wenig daran, dass er heute trotz des von ihm beschriebenen Reifungsprozesses nicht viel anders lebt als vor diesem Buch.

"Ich wechsle immer ab zwischen Exzess und totaler Askese, ich kann ein Einsiedler und dann wieder Nachtschwärmer sein", so Beigbeders Selbsteinschätzung. "Ich glaube, das ist nicht nur krankhaft, sondern auch unheilbar", meint Beigbeder wie immer ein wenig ironisch - was wohl auch zum in vielen Jahren sehr bewusst aufgebauten Image des französischen Schriftstellers gehört, der sich selbst als schüchternen Exhibitionisten beschreibt.

Service

"Kulturmontag", Montag, 4. Oktober 2010, 22:30 Uhr, ORF 2

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