Das Transart Festival

Im futuristischen Geist

Am Beginn des 20. Jahrhunderts befand sich Italien im Aufbruch. Die Geschwindigkeit wurde zur Grundlage eines neuen Lebensgefühls. Die radikalste Strömung der Moderne war im Entstehen: der Futurismus. In Rovereto im Trentino fand nun im Rahmen des Festivals Transart, Festival zeitgenössischer Kultur, ein Konzert und ein Abendessen im futuristischen Geist statt.

Der italienische Komponist Luigi Chessa hat laut Originalplan futuristische Instrumente nachgebaut und zeitgenössische Komponisten haben dafür Werke geschrieben. Aufgeführt wurde das Ganze im Innenhof des MART, Museum für moderne Kunst in Rovereto. Ein paar Hundert Meter weiter fand anschließend ein futuristisches Kunstdiner statt, und zwar in der Villa Depero, dem ehemaligen Ansitz des großen futuristischen Malers Fortunato Depero.

Kulturjournal, 05.10.2010

Geräusche des 20. Jahrhunderts

Im Innenhof des MART von Rovereto stehen 16 Intonarumori, mechanische Geräuschmaschinen. In den Holzschachteln sind Saiten gespannt, die Metallscheiben berühren. Von außen werden sie mit einer Kurbel per Hand angetrieben. Ihr Erfinder ist der futuristische Maler und Komponist Luigi Russolo. Russolo hat die Instrumente am 11. August 1913 in der Casa Rossa, dem Hauptquartier der Futuristischen Bewegung, in Mailand präsentiert. Der Musikwissenschaftler und Komponist Luciano Chessa hat diese Instrumente nach den Plänen des Futuristen vollständig nachgebaut.

"Diese Instrumente entstanden, weil ihr Erfinder, Luigi Russolo, den neuen Geräuschen im 20. Jahrhundert eine Stimme geben wollte", so Chessa. "Die neuen Geräusche waren Autos, Eisenbahn, Elektrizität, die gesamte Welt der Technik war für die Futuristen interessant. Da sich die Welt der Geräusche veränderte, mussten sich auch die Instrumente dafür verändern."

Zum ersten Mal nach einer mehr 100-jährigen Pause erklangen die Intonarumori wieder beim Performa Festival in New York 2009. Zeitgenössische Komponisten haben eigens Werke für die futuristischen Klangkörper geschrieben. Einer davon ist Blixa Bargeld. Die Underground-Ikone, Frontmann der Band "Einstürzende Neubauten", Gitarrist von Nick Cave und Gourmetliebhaber, hat sich für sein Werk von einem futuristischen Kochrezept inspirieren lassen.

Vorgegebene Notation

Für die europäische Erstaufführung in Rovereto hat das Festival Transart die Tradition weitergeführt und weitere Kompositionsaufträge für die Intonarumori vergeben: an Teho Teardo und Margareth Kammmerer. Der italienische Komponist Teho Teardo hat dazu alle Möglichkeiten moderner Kompositionsverfahren ausgeschöpft. Der Spielraum für die Musiker ist gering. Alles folgt einer genau vorgegebenen Notation.

"In erster Linie interessierte mich das Konzept der Zeit", sagt Teardo. "Für mich sind diese Instrumente von damals Instrumente von heute. So gesehen habe ich den Zeitbegriff gedehnt und genau das versucht, in meiner Komposition zum Ausdruck zu bringen. Es ist ein sehr metrisches Stück, roboterartig beinahe, mit einer Popstruktur. Die Instrumente gelangen an ihre Grenzen, denn sie sind von Natur aus unpräzise. In meiner Partitur müssen sie so präzise wie möglich sein. Aber sie schaffen es nicht."

Futuristisches Dinner

Bis zum späten Abend erklingen im Atrium des modernen Kunstpalastes in Rovereto Geräusche und Musik. Später begibt sich das Konzertpublikum mit Komponisten und Musikern in das Museum der Villa Depero zum futuristischen Abendessen. Zwischen den Werken von Fortunato Depero, einem, der einflussreichsten und vielseitigsten Künstler des italienischen Futurismus, stehen die Tische mit dem futuristischen Speisen.

Der Koch dieses Abend Marco Brink erzählt aus dem Menü: "Auf dem Tisch finden wir zum Beispiel ein Gericht, das nennt sich 'Auspuff aus kubischem Kalbsfleisch', einen 'Kilometerzähler auf Kartoffelgratin' oder ein Eisenbahnhäuschen in Lachs und Oliven. Wir haben mit geometrischen Formen gespielt, fantasiert und ein buntes Menü von sehr vielen Geschmacksrichtungen kreiert."

Die Futuristen verherrlichten die Technik und Geschwindigkeit. Sie verabscheuten die Banalität. Auch in der Küche. Man huldigte auch beim Essen einer Philosophie der Kreativität - contro la pastasciutta, also gegen die Eintönigkeit von Nudelgerichten, das war die Devise der Futuristen, meint Kochkritiker und Journalist Silvano Faggioni. Ob Kunst oder Küche, ob Musik oder Menü. Auch hundert Jahre danach wirkt der Futurismus an diesem Abend radikal und modern.

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