Wahlbetrug im Burgenland: Bürgermeister tritt zurück
Briefwahl: Experten fordern Reform
Wegen des Wahlbetrugs im Burgenland kommt das erst seit wenigen Jahren existierende Briefwahlrecht immer mehr in Kritik. Die Briefwahl öffne Wahlbetrug Tür und Tor, Experten fordern eine Reform. Der betroffene Bürgermeister hat nun seinen Rücktritt angekündigt.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 8.10.2010
Wahlbetrug ist einfach
Für einen Bürgermeister oder einen mit der Wahlabwicklung befassten Gemeindebeamten ist Wahlbetrug eigentlich ganz einfach: Man nimmt eine Wahlkarte, trägt im Verzeichnis ein, dass ein bestimmter Wähler diese mündlich beantragt hat, trägt sie nach Hause, kreuzt dort die Partei seines Geschmacks an und wirft sie dann in den Briefkasten. Für den perfekten Wahlbetrug sollte aber sichergestellt sein, dass der betroffene Wähler nicht entweder selbst eine Wahlkarte beantragt oder am Wahltag im Wahllokal erscheint.
"Widerspricht demokratischen Wahlen"
Professor Daniel Ennöckl vom Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität Wien sagt, das Wahlrecht gehört geändert, Servicegedanke hin oder her: "Hier muss sichergestellt werden, dass die Wahlkarte an den ausreichend legitimierten Wähler übergeben wird, das heißt, er muss zur Wahlbehörde gehen, sich dort ausweisen und bestätigen, dass er die Wahlkarte entgegengenommen hat. Das offenkundig relative leichtfertige Verschicken von Wahlkarten, wie es im Burgenland geschehen ist, entspricht den Sicherheitsanforderungen offenkundig nicht, die man an demokratische Wahlen stellen muss." Durch das Abholen mit dem Ausweis sei gesichert, dass man als Betroffener wenigstens von der Wahlkarte weiß.
"Persönliches Abholen ist unmöglich"
Robert Stein vom Innenministerium ist langjähriger Wahlexperte und bezweifelt, dass die Methode des persönlichen Abholens geeignet ist, Wahlbetrug zu verhindern: "Eine persönliche Abholung halte ich für völlig undurchführbar. Es geht ja auch um erkrankte Personen, oder Personen die sich im Ausland aufhalten, die müssen das auf jeden Fall per Post bekommen."
Doppelfunktion als Grund für Wahlbetrug
Universitätsjurist Ennöckl verweist auf die Vergangenheit, da habe das System ja auch funktioniert: "Ein derartiges System der strengeren Anforderung an die Ausstellung von Wahlkarten gab es ja auch früher im alten System der Wahlkartenwähler, die am Wahlsonntag nicht in ihrer Gemeinde waren, sondern ihr Wahlrecht an einem anderen Ort ausüben wollten. Das kann man also relativ leicht wieder übernehmen. Man hat hier im Interesse des Bürgerservices eine zu liberale Haltung eingenommen: Das verschicken von Wahlkarten per Post ist einfach grundsätzlich problematisch. Wie der Fall Burgenland gezeigt hat, ist die Versuchung von Politikern auf kommunaler Ebene strafrechtswidrig Einzugreifen doch höher, als man in Österreich bisher gedacht hat. Der Grund dafür ist die Doppelfunktion, die die Kommunalpolitiker einnehmen: einerseits als Wahlwerbende Gruppe und andererseits als Wahlbehörde."
Burgenland bisher Einzelfall
Robert Stein, Fachjurist des Innenministeriums, meint, die persönliche Abholung der Wahlkarten sei nicht wirklich massentauglich. Bei einer Nationalratswahl würden mehr als 570.000 Wahlkarten ausgestellt, zu viele Vorkehrungen würden zu viele Kosten verursachen. Und außerdem, so Robert Stein: "Wenn genügend kriminelle Energie vorhanden ist, wird immer Missbrauch stattfinden. Eine Amtsperson, ein Bürgermeister geht aber ein sehr hohes Risiko ein, und im Wahlwesen gibt es keinen Anhaltspunkt, dass es nennenswerte Fälle von Missbrauch gegeben hat, außer diesem möglichen Einzelfall, der jetzt in den Pressemeldungen kolportiert wird."
Wahlrecht soll reformiert werden
Tatsache ist, dass sich beim Wahlrecht etwas ändern wird. SPÖ-Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter hat für den Herbst Gespräche über eine sogenannte kleine Wahlrechtsreform angekündigt: Strafen für Manipulationen sollten verschärft und Anfechtungsfristen verlängert werden, verlangt die SPÖ. Zudem sollten die Wahlkarten am Tag der Wahl bei den Behörden sein, damit ein Wählen nach der Wahl nicht mehr möglich ist, meint Kräuter.
Bürgermeister tritt zurück
Der ÖVP-Bürgermeister von Unterrabnitz-Schwendgraben, Wilhelm Heissenberger, kündigt nach den Wahlkarten-Manipulationen seinen Rücktritt an. Neuwahlen scheinen derzeit aber unwahrscheinlich.