Premiere im Theater an der Wien

"Todsünden" von Brecht und Weill

Das letzte Werk, das Kurt Weill und Bertolt Brecht vor der Emigration in die USA fertigstellten ist "Die sieben Todsünden" von 1933. Es beschäftigt sich mit Fragen rund um die Vorstellung von Heimat, Zugehörigkeit und falsch verstandenem Kapitalismus. Am Theater an der Wien ist das Werk ab 15. Oktober 2010 zu sehen.

Es ist eine Kooperation mit dem Théatre des Champs-Elysées, wo es in der vergangenen Saison (in der letzten des heutigen Staatsoperndirektors Dominique Meyer) erfolgreich zur Premiere gelangte. Als Jessie ist Angelika Kirchschlager zu sehen, am Pult des RSO Wien steht Walter Kobera.

Auf den Kopf gestellt

Damit eine Sünde als schwer zu beurteilen ist, muss sie drei Voraussetzungen erfüllen: Sie muss eine schwerwiegende Materie, insbesondere einen Verstoß gegen die zehn Gebote zum Gegenstand haben. Der Sünder muss die Todsünde "mit vollem Bewusstsein" begehen, die Schwere der Sünde also bereits vorher erkennen. Die Sünde muss "mit bedachter Zustimmung" also aus freiem Willen begangen werden.

In Weills Stück ist alles umgekehrt, denn hier gilt als sogenannte Todsünde, das Schlechte nicht zu tun - nicht raffgierig zu sein, sich nicht zum Wohle der Karriere erniedrigen zu lassen.

Anna I und Anna II

So geht es zumindest Anna, die Tochter einer Kleinbürgerfamilie, die Geld verdient, damit sich die Familie ein Häuschen kaufen kann. Unter dem Druck des Gelderwerbs spaltet sich Anna auf in Anna I, die kühl erwerbsmäßig Denkende, und in Anna II, die Emotionale. Anna I zwingt Anna II, alle Todsünden um des Geldes willen zu begehen - und sie passt damit perfekt in die Moral der Zeit.

"Ich fühl mich immer wie der personifizierte Kapitalismus", meint Angelika Kirchschlager zu ihrem Part.

Die erste und die letzte Zusammenarbeit

Die Beschädigungen der Menschen unter den Bedingungen des Kapitalismus - das ist das Thema von Weills "gesungenem Ballett", wie er sein Werks selbst titulierte. Da es nicht abendfüllend ist, setzt man ihm die szenische Kantate "Mahagonny Songspiel" voran und schlägt somit einen Bogen von der ersten zur letzten Zusammenarbeit von Bertold Brecht und Kurt Weill, die in den Jahren dazwischen das Musiktheater revolutioniert haben.

Den szenischen Bogen spannt Juliette Deschamps. Sie zeigt, wie sich Anna von ihrer erbarmungslosen Familie in eine Schizophrenie zwischen Sein und Schein treiben lässt, die nur tragisch enden kann.