Wie realistisch ist Sparen?
Uni-Misere in der Praxis
In der Debatte um die Finanzmisere an den Universitäten wird gerne mit großen Zahlen herumgeworfen, und die Politik fordert Spargesinnung ein. Die Bildungspsychologin Christiane Spiel errechnete anhand einer einzigen Vorlesung den enormen Personalaufwand in Massenstudien. Auch die Situation der Doktoratsstudenten sei unhaltbar.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 23.10.2010
Was kostet eine Prüfung?
Der Schauplatz: Das Institut für Psychologie der Universität Wien. Das Thema: Eine Vorlesung samt dazugehörender Prüfung. Die Darsteller beiderlei Geschlechts: Professoren, Assistenten, Sekretäre und 400 Studierende. Die Dramaturgin: Bildungspsychologin Christiane Spiel, Professorin am Psychologie-Institut.
Die Unis werden mit leichter Zunge aufgefordert, Personalkosten und -aufwand einzusparen. Grund genug für Spiel, um auszurechnen, was denn an Aufwand nötig sei, um eine Prüfung durchzuführen: Datum festlegen, Raum organisieren, Studierende verständigen, Informationen auf die Homepage stellen, Fragen auswählen, Fragebögen kopieren, Listen ausdrucken, Prüfungsaufsicht, Prüfungen korrigieren, Daten eingeben und schließlich muss man den Studierenden auch eine Prüfungseinsicht gewähren und ihnen erklären, weshalb sie diese oder jene Note bekommen haben.
Ein Professor für 570 Studierende
Unterm Strich: Für nur eine Vorlesung samt Prüfung fallen 112 Arbeitsstunden an. Und das Institut betreut fünf Vorlesungen mit insgesamt 20 Prüfungsterminen pro Semester. Dazu kommen noch Seminare, bei denen Einzelarbeiten bewertet werden und die gesamte Forschung, erklärt Spiel.
Es bräuchte mehr Personal, mehr studentische Mitarbeiter, meint Christiane Spiel - angesichts des derzeitigen Zahlenverhältnisses von Professoren zu Studierenden: "Wir haben derzeit etwa 5.700 Studierende und nur zehn Professorenstellen besetzt. Katastrophal."
Prekär beschäftigte Doktoranten
Das wäre ungefähr so, als ob ein Lehrer in einer Schulklasse 570 Schüler unterrichten müsste. Und jene, die es doch schaffen, durch diesen Betrieb hindurch zu studieren und ein Doktoratsstudium anzuschließen, können oft nur über Projekte finanziert werden, die aber viel kürzer dauern als das Doktoratsstudium.
Das habe zur Folge, dass diese Dissertanten ständig von Existenzängsten bedroht seien, weil sie sich von einem Dreimonatsvertrag zum nächsten hanteln. Und man wisse auch nie im Vorhinein, ob das Nachfolgeprojekt wirklich bewilligt werde, so Spiel. Hier noch nach Einsparung zu schreien ist also nur aus der Distanz eine einfache Übung.