Deutschland: Kein Stimmrecht für Defizitsünder
Stabilitätspakt soll strenger werden
Vor nicht einmal einem Jahr ist nach langem Gezerre der Vertrag von Lissabon in Kraft getreten. Jetzt verlangen Deutschland und Frankreich neuerlich Vertragsänderungen. Der Grund ist der Eurostabilitätspakt. Mit Hilfe von Vertragsänderungen soll er strenger werden und die Mitgliedsstaaten zu mehr Budgetdisziplin zwingen. Doch die meisten anderen EU-Länder sind nicht begeistert.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 25.10.2010
EU-Motor geht in verschiedene Richtungen
Ein Richtungsstreit tobt in der EU, das heutige Treffen der 27 Außenminister liefert einen Vorgeschmack auf den EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag. Die Richtung wollen Deutschland und Frankreich vorgeben. Um den Eurostabiltätspakt zu stärken verlangen die beiden Länder strenge Sanktionsmöglichkeiten.
Deutschland: Ohne Pflichten, keine Rechte
Faustpfand ist der milliardenschwere Eurorettungsschirm, den Deutschland und Frankreich zu einem Großteil finanzieren und der in zwei Jahren ausläuft. Eine Verlängerung des Rettungsmechanismus soll es nur dann geben, wenn notorischen Defizitsündern ihr Stimm- und somit ihr Mitspracherecht entzogen wird. Außenminister Guido Westerwelle: "Die jetzigen Sanktionen schienen ja ganz eindeutig nicht auseichend zu sein. 22 Defizitverfahren sind eingeleitet worden, aber es hat nicht ein einziges Mal ein Ergebnis, also Sanktionen, gegeben. Wenn jemand seine Pflichten nicht erfüllt, ist es ja nicht fair, dass er weiter die Rechte wahrnehmen will. Rechte und Pflichten gehören zusammen."
Breite Ablehnung
Die derzeitigen Vertragsgrundlagen machen einen Stimmrechtsentzug aber unmöglich. Deshalb wollen Deutschland und Frankreich Vertragsänderungen. Eine Maximalforderung, die von den meisten Mitgliedsländern abgelehnt wird. Jean Asselborn, der Außenminister von Luxemburg sieht ob dieser Forderung das Gesprächsklima gar als vergiftet an: "Die Debatte läuft total falsch. Wenn man diese Vertragsänderung macht dann ist das ein Rückfall ins 19. Jahrhundert, ins Zensuswahlrecht. 10 Jahre haben wir an diesem Vertrag gearbeitet, wenn man den jetzt wieder ändert, dann vergeudet man Zeit."
Mehr präventive Kontrolle
Die meisten Staaten unterstützen die Forderung nach einem Eurostabilitätspakt mit Zähnen, allerdings gibt es bereits Vorschläge, die zu einer Stärkung und vor allem zu mehr präventiver Kontrolle beim Schuldenmachen führen. Deshalb lehnen viele Staaten, darunter auch Österreich es ab, dass mögliche Vertragsänderungen am Beginn der Diskussion stehen. Außenminister Michael Spindelegger: "Wenn man das ohne Vertragsänderung bewerkstelligen könnte, wäre das von Vorteil."
Der Eurostabiltätspakt, wie er gestärkt werden soll und welche Kräfte sich in der EU durchsetzen werden, wird am Donnerstag und Freitag von den europäischen Staats- und Regierungschefs weiterdiskutiert.