Repressalien gegen Opposition

Aserbaidschan: Keine Chance gegen Alijew

4,8 Millionen Aserbaidschaner sind am Sonntag aufgerufen, neue Volksvertreter zu wählen. Es besteht kein Zweifel, dass die Unterstützer von Präsident Ilham Alijew in der früheren Sowjet-Republik Aserbaidschan am Kaspischen Meer eine klare Mehrheit im Parlament behalten werden.

Morgenjournal, 06.11.2010

Betrugsvorwürfe und Boykottaufrufe

Im Vorfeld der Abstimmung sind Berichte über Repressionen gegen oppositionelle Journalisten bekanntgeworden. Die OSZE kritisierte die trotz eines vor zwei Jahren erlassenen Gesetzes in der Praxis "stark eingeschränkte" Versammlungsfreiheit in Aserbaidschan. Nach der bisher letzten Parlamentswahl 2005 warf die Opposition den Regierenden um Präsident Aliyev Wahlbetrug vor und ging auf die Straße, um wie bei der vorangegangenen Orangen Revolution in der Ukraine Neuwahlen zu erreichen. Die Polizei löste die Demonstrationen mit Schlagstöcken und Wasserwerfern auf. Die Präsidentenwahl 2008, bei der Aliyev - Sohn des 2003 verstorbenen Präsidenten Heydar Aliyev - im Amt bestätigt wurde, boykottierte die Opposition nach den Erfahrungen von 2005 als "Farce".

Neuer Versuch

Seit dem Ende der Sowjetunion und der Unabhängigkeit Aserbaidschans hatte die Staatsmacht die Wahlen manipuliert. Jüngst verurteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Aserbaidschan dazu, einer Oppositionspolitikerin 57.500 Euro Schadensersatz zu zahlen. Flora Kerimova war vor fünf Jahren bei der Auszählung klar vor dem Regierungskandidaten gelegen. Die Wahlkommission annullierte das Ergebnis aber willkürlich. Alle Einsprüche halfen nichts. Nun wollen alle wichtigen Oppositionskräfte einen neuen Versuch starten, sich im politischen Leben zurückzumelden und an der Wahl teilnehmen. Leicht macht es ihnen die Führung nicht.

Bedrohte Journalisten

Menschenrechtsorganisationen haben eine zunehmende Verfolgung regierungskritischer Journalisten in der Kaukasus-Republik festgestellt. Die Regierung benutze das Strafrecht und gewalttätige Übergriffe, um oppositionelle Journalisten zum Schweigen zu bringen", kritisierte etwa Human Rights Watch (HRW). Inhaftierte Journalisten sollten freigelassen und Angreifer zur Rechenschaft gezogen werden, forderten auch "Reporter ohne Grenzen" (RSF) und andere NGOs. In Aserbaidschan herrsche ein "Klima der Angst und Einschüchterung", hieß es vonseiten der Organisation "Article 19", die sich weltweit für Meinungsfreiheit einsetzt. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) beklagte, dass politische Gruppierungen keine Genehmigungen für Kundgebungen auf zentralen Plätzen bekamen; die zahlreichen TV-Sender hätten kaum Zugang zu unterschiedlichen politischen Meinungen geboten.

Opposition schwach vertreten

Derzeit hält Aliyevs Neue Aserbaidschan-Partei (Yeni Azerbaycan Partisi/YAP) 63 der 125 Parlamentssitze. Zusätzlich wird sie von den meisten der zahlreichen "unabhängigen" Abgeordneten unterstützt. Es gibt nur wenige oppositionelle Abgeordnete im Parlament (Milli Meclisi). Die bisher stärkste Oppositionspartei Musavat (Gleichberechtigung) stellt vier. 2005 trat die Opposition gesammelt in einem Block an, diesmal sind es drei Oppositionsblöcke. Die größten Chancen gegen die Regierung zu punkten, werden dem Bündnis aus Musavat und APFP eingeräumt.

Nachbarschaftskonflikt

Wie ein Damoklesschwert über der Stabilität Aserbaidschan schwebt der Konflikt mit dem Nachbarn Armenien über die Region Berg-Karabach (Nagorny-Karabach). Schon 1918-20 und nach dem Zerfall der Sowjetunion 1992-94 führten Baku und Eriwan Kriege gegeneinander wegen der von Aserbaidschan geografisch umschlossenen und völkerrechtlich zu Aserbaidschan gehörenden Armenier-Region, die Armenien seit dem letzten Krieg mit rund 30.000 Toten besetzt hält. Während Friedensgespräche auf der Stelle treten, kommt es immer wieder zu blutigen Zwischenfällen, und Aserbaidschan rüstet stark auf.