Regierungskrise vorerst entschärft
Bossi unterstützt Berlusconi
Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi, seit Tagen erneut wegen Sexaffären in den Schlagzeilen, hat das für ihn Schlimmste wieder einmal verhindert. Er bleibt - zumindest vorerst - an der Macht. Denn Lega-Chef Umberto Bossi wird an seiner Seite ausharren, anders also als der abtrünnige Parlamentspräsident Gianfranco Fini.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal 09.11.2010
Untergangsstimmung in Norditalien
Wie lang oder kurz dieser Frieden währen kann, wird sich zeigen. Heute eilen Berlusconi und Bossi jedenfalls gemeinsam in das von schweren Unwettern heimgesuchte Veneto - wo die Probleme der Menschen ganz konkret sind. Im Norden Italiens herrscht Untergangsstimmung. Und dabei denken die Menschen hier gar nicht an das Wasser, das Regierungschef Berlusconi bis zum Hals steht, sondern an das, das sie real bedroht. Denn es schüttet hier ohne Unterlass.
Schwere Unwetter
Rund eine halbe Million Menschen haben inzwischen mit den Folgen der Unwetter zu kämpfen. Ein Betroffener: "Ich konnte nur mehr diese Tassen retten. Unser ganzes Leben wurde hier weggespült. Ein Leben voller Arbeit und Opfer. Und wir können nichts mehr tun."
Katastrophe für die Landwirtschaft
Es sind vor allem Landwirtschaftsflächen, die von den Überschwemmungen und den Murenabgängen betroffen sind. Rund 300.000 Tiere dürften nach ersten Schätzungen ertrunken sein. Nun fürchtet man auch, dass die Weinernte ausfällt.
Bürgermeister erwarten sofortige Hilfe
Jetzt warten die Bürger der Region auf hohen Besuch: Ministerpräsident Berlusconi und Lega-Chef Umberto Bossi. Doch die Bürgermeister der 130 betroffenen Gemeinden sind skeptisch. "Ich hoffe, nur es handelt sich nicht wieder um das übliche Geschwätz. Sollte das so sein, zögere ich nicht, mit meinen Leuten nach Rom zu marschieren. Wir brauchen jetzt Hilfe und nicht erst nach 60 oder 90 Tagen. Ganze Landstriche sind blockiert. Die Stromversorgung ist ausgefallen. Wir haben große Schwierigkeiten."
Eine Milliarde Euro Schäden
Auf eine Milliarde Euro werden die Schäden derzeit geschätzt. Da sind die zugesagten zwanzig Millionen Euro an Katastrophenhilfe nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Industrielle und Wirtschaftstreibende der Region gehen daher auf die Barrikaden.
Geld soll in der Region bleiben
Nach einer ersten Schrecksekunde unterstützt nun auch der Präsident der Region Veneto, der Lega-Politiker Luca Zaia, ihren Vorschlag: "Es scheint mir absurd, die nun einzuhebenden Steuergelder nach Rom zu schicken, damit diese wieder retour kommen, um die Schäden zu bezahlen. Es ist viel sinnvoller, das Geld gleich hierzu verwenden und was dann übrigbleibt, schicken wir nach Rom."
Schicksal von Berlusconi unsicher
Der kurzfristig anberaumte Besuch Ministerpräsident Berlusconis im Überschwemmungsgebiet wird also nicht nur ein medienwirksamer Spaziergang. Denn nachdem Parlamentspräsident Gianfranco Fini seinen Rücktritt gefordert hat, liegt Berlusconis Schicksal einmal mehr in den Händen von Lega-Chef Umberto Bossi. Der hat Montagabend seinem Freund und Koalitionspartner die Unterstützung seiner Partei zugesagt.
Italien ist de facto ohne Regierung
Allerdings will Bossi im Gegenzug noch bis Dezember seine föderalistischen Pläne verwirklicht sehen. Berlusconi wiederum hofft, bis dorthin seinen Hals aus der Schlinge der Justiz gezogen zu haben. Man ist also aufeinander angewiesen. Fazit: Italien ist de facto ohne Regierung. Und jeder schaut auf das eigene Fortkommen. Das in fast jeder Politrede beschworene geliebte italienische Volk kann dabei schauen, wo es bleibt.