Festredner Pavel Kohout

Europäischer Journalistenpreis vergeben

In Wien wurde Montagabend der europäischen Journalistenpreises "Writing for CEE 2010" vergeben. Stargast und Festredner des Abends war der Schriftseller und ehemalige CSSR-Dissident Pavel Kohout, der jüngst seine Autobiografie "Mein tolles Leben mit Hitler, Stalin und Havel" veröffentlicht hat.

Kultur aktuell, 23.11.2010

Der europäische Journalistenpreis "Writing for CEE 2010" soll zur journalistischen Auseinandersetzung mit Fragen Europas und der europäischen Integration einladen. Die Auszeichnung ging an die bosnische Autorin Azra Nuhefendic für eine Reportage über eine Zugsfahrt von Belgrad nach Sarajevo.

Fröhliches Leben mit Havel

Festredner Pavel Kohout nannte seine Autobiografie "Mein tolles Leben mit Hitler, Stalin und Havel". Den Titel erklärt Pavel Kohout so: "Weil ich den Hitler, der mir tausend Jahre versprochen hat, überlebt habe, weil ich den Stalin, der mir ewige Zeiten versprochen hat, überlebt habe und mit Havel lebe ich nach wie vor fröhlich - das wollte ich einmal beschreiben."

Vom Teufel zum Beelzebub

Ein Weg vom treuen KP-Mitglied zum führenden Dissidenten - davon erzählt Pavel Kohout auf über 550 Seiten. Mit 18 tritt der gebürtige Prager in die Partei ein, man schreibt das Jahr 1946. Kohout dichtet im Arbeiter-und-Bauern-Stil, etwa ein Loblied auf Traktoren. Politisch zuverlässig, darf er 1949 als tschechoslowakischer Kulturdiplomat in die Botschaft nach Moskau. Mit den Stücken "Septembernächte" und "So eine Liebe" gelingen Bühnenerfolge. Bald wird Kohout zum meistgespielten Dramatiker der CSSR.

"Mir verschmilzt ab und zu mein Leben mit einem langen Bühnendrama, wie es vielleicht nur Karl Kraus schreiben könnte", so Kohout. Es ist das Stück einer Generation, die alles vermasselt hat, sagt Pavel Kohout: "Wir waren aus guten Gründen nach dem Krieg Kommunisten. Das war die Reflexion der großen Weltwirtschaftskrise - nichtahnend, dass der Weg zu einem neuen System und zu einem neuen Schirmherr direkt vom Teufel zum Beelzebub war."

Politische Galgenprozesse

Die schlimmsten Erlebnisse seines Lebens seien die "politischen Galgenprozesse der 50er Jahre" gewesen, die er damals "zu seiner Schande nicht gleich durchschaute", gesteht Kohout. Frühere Texte im Abstand der Jahre zu lesen, käme ihm heute so vor, als wäre er damals "aller Sinne beraubt" gewesen. Das gilt wohl auch für seine kurzzeitigen Dienste für die Staatssicherheit.

Die Stasi-Leute der 50-er Jahre waren seine besten Freunde aus der Jugendzeit, erzählt Kohout: "Ich war die Generation, die die Wahl hatte entweder Soldat oder Polizist oder Geheimdienstler oder Poet zu werden. Ich war natürlich Poet. Aber ich blieb in Verbindung mit allen, weil das ist die Logik jeder Revolution. Wenn sie sich festigen will, versucht sie Reservate zu schaffen, die dafür dienen."

Trennung von Stalin

Stalin - das war zunächst ein Synonym für die Befreiung vom Faschismus, die Bewunderung für den Diktator grenzte an Vergötterung, erzählt Pavel Kohout. Es folgten: der Schock und die Trennung von Stalin.

"Der Schock war die wichtigste Rede des 20. Jahrunderst, die Rede von Chruschtschow auf dem 20. Parteitag, wo er Stalin eigentlich einen Verbrecher genannt hat und dann blieb uns, den Kommunisten nur die Wahl, ob wir uns aufhängen, oder ob wir halt weitermachen, um Karriere zu machen, oder ob wir alles tun, um es doch noch irgendwie zu reparieren. Das war der Versuch des Jahres 1968", erinnert sich der Autor.

Als einer der Wortführer der Charta 77 galt Pavel Kohout bald als führender Dissident. Nach dem Ende des Prager Frühlings wurde er aus der Partei ausgeschlossen, mit Bühnen- und Publikationsverbot belegt, von der Stasi schikaniert.

Ausbürgerung

Als Pavel Kohout 1978 nach Wien reiste, um den Österreichischen Staatspreis für Europäische Literatur entgegenzunehmen, nützte die Tschechoslowakei diesen Auslandsaufenthalt, um den unbequem gewordenen Regimekritiker auszubürgern. Offene Proteste bleiben erfolglos. 1980 nimmt er in Wien die österreichische Staatsbürgerschaft an.

Erst neun Jahre später konnte er wieder in seinen Heimatstadt Prag zurückkehren: "Wenn ich ab und zu Probleme habe mit meinem Leben, dann schau ich mir die Karte aus dem Jahre 1928 an, als ich geboren wurde. Diese Karte zeigt ein umzingeltes, verlassenes demokratisches Land mitten in Europa. Die Karte heute genügt mir zu großem Glück."

Textfassung: Rainer Elstner

Service

Pavel Kohout, "Mein tolles Leben mit Hitler, Stalin und Havel", Osburg Verlag

Writing for CEE