Jede fünfte ist Gewaltopfer

Gewalt gegen Frauen

"Hinter der Fassade" ist der Titel einer Ausstellung, die seit April 2006 an verschiedenen Orten in Österreich zu sehen ist. Die "Fassade" ist in diesem Fall die Familie, das vermeintlich traute Heim - hinter dieser Fassade gibt es Gewalt - und das öfter als man glauben möchte.

Mittagsjournal 24.11.2010

Ausstellung über Gewalt

Laut Schätzungen ist hierzulande jede fünfte Frau einmal Opfer von körperlicher und/oder sexueller Gewalt durch einen nahen männlichen Verwandten, Freund oder Bekannten. Welche Formen häusliche Gewalt annimmt, aber auch wo Opfer Schutz finden -das zeigt eine Ausstellung in Wien.

Jede fünfte ist Gewaltopfer

Meist passiert es nicht nur einmal; die Intervalle werden kürzer; die Gewalt heftiger - so Andrea Berzlanovich vom Department für Gerichtsmedizin der Medizinischen Universität Wien. Ob Schlagen, ob sexuelle Misshandlung, ob psychischer Druck, ob verhöhnende Worte - Gewalt im eigenen Zuhause kann viele Formen annehmen. Eine von fünf Frauen wird laut Schätzung von Hilfseinrichtungen zumindest einmal im Leben Opfer von Gewalt durch ihren Mann, Lebensgefährten oder einen Bekannten.

Gründe für Gewalttaten

Die Gerichtsmedizinerin Berzlanovich: "Ich kann ihnen die Gründe anführen, die ich immer von den Tätern höre: überarbeitet, überlastet, arbeitslos, zu viel getrunken, Hand ausgerutscht. Nachher kommen immer die Entschuldigungen. Auch immer der Druck über die Kinder. Du darfst mich nicht verlassen, weil du den Kindern den Vater nimmst."

Schutz in Frauenhäusern

Viele Frauen finden in einem der 26 autonomen Frauenhäuser Schutz; im Vorjahr waren es 3.163 Frauen und Kinder. Maria Rösslhumer, Geschäftsführerin des Vereins Autonome Österreichische Frauenhäuser: "Oft ist es so, dass der Druck schon sehr groß sein müsste, dass sie sich an eine professionelle Einrichtung wenden. Oft ist es auch so, dass die Frauen dann kommen, wenn die Kinder misshandelt werden. Das ist der Punkt, wo die Frauen sagen: es reicht."

Mehr Frauen suchen Hilfe

Immer öfter erfahre er von häuslicher Gewalt, berichtet Wilfried Ilias aus der Praxis - er ist Schmerz-Mediziner am Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Wien. Wenn gleich das nicht heiße, dass die Gewalt zunehme, sondern dass mehr Frauen Hilfe suchen. "Wir sind überzeugt, dass das Vorhandensein von häuslicher Gewalt aber auch von Gewalt am Arbeitsplatz und am Spielplatz, sehr viel häufiger vorkommt und prägend auf die Menschen wirkt, als wir meinen."

Häusliche Gewalt erkennen

Platzwunden, blaue Flecken, Verbrühungen - diese Wunden bekommen meist Ärztinnen und Pflegekräfte als erste zu sehen. Und daher fordert die Gerichtsmedizinerin Berzlanovich, dass häusliche Gewalt und wie sie erkannt werden kann, Thema in der Medizin-Ausbildung ist; derzeit finde das nicht statt.

Wege aus der Gewalt zeigen

Das Wiener Krankenhaus der Barmherzigen Brüder beispielsweise hat kürzlich selbst Fortbildung für das eigene Personal organisiert; hier ist auch die Wanderausstellung „Hinter der Fassade. Gewalt in der Familie" zu sehen - in den nachgebauten Zimmern einer Wohnung zeigt sie Fotos, bringt Interviews mit Frauen zu Gehör, macht die verschiedenen Formen und Muster von Gewalt bewusst. Doch werden auch Wege aus der Gewalt gezeigt sowie Informationen über Hilfseinrichtungen.