Ein einstiger "Junger Wilder"

Anzinger-Schau in Linz

Anfang der 1980er Jahre war Siegfried Anzinger maßgeblich am Aufbruch einer neuen Bewegung bildender Künstler beteiligt, die mit die Malerei zu neuem Leben erweckten. Als "Junge Wilde" sollten sie in die Kunstgeschichte eingehen. Das Linzer Kunstmuseum Lentos widmet Anzinger eine Einzelschau.

Mittagsjournal, 24.11.2010

Siegfried Anzinger wurde schon früh, 1988, zur Biennale in Venedig eingeladen und erhielt relativ spät, 2003, den Großen Österreichischen Staatspreis für Bildende Kunst.

Mit unbekümmert heftiger Farbwahl und ungestüm schnellen Pinselstrichen hat Siegfried Anzinger in den frühen 1980er Jahren die österreichische Kunstwelt aufgemischt. Und auch wenn Siegfried Anzingers Werke heute längst nicht mehr als skandalträchtig gelten, sondern vielmehr zu allseits bewunderten Klassikern der Gegenwartskunst zählen: das Etikett "Junger Wilder" verfolgt ihn noch immer.

"Wenn ich früher ein 'Junger Wilder' war, bin ich jetzt ein 'Alter Müder'? Ach, wir haben doch auch Spaß gehabt mit dieser Etikette, wohl wissend: Da gab es vor unserer Zeit schon wildere."

Kollision der Werkphasen

Von den vermeintlich wilden Hauptwerken der 80er bis zu den Arbeiten der Gegenwart, die sich durch feinere Pinselführung und dezentere Farbgebung von seinen frühen Bildern unterscheiden, soll Siegfried Anzingers Einzelschau im Linzer Kunstmuseum Lentos nun einen Überblick über sein reichhaltiges bisheriges Schaffen geben. Und auch wenn sich der heute 57-Jährige zwar als "Alter Müder" bezeichnet: "Es ist traurig, an einem Punkt anzukommen, wo man sagt: So, das war's jetzt. Da würde ich depressiv werden. Ich habe mich sehr dagegen gewehrt, eine Übersichtsausstellung zu machen. Ich wollte frühe und späte Bilder einmal kollidieren lassen."

Doch diese Kollision dürfte für Siegfried Anzinger nur ein weiterer Quell des Unglücks sein: "Ich hatte ein gestörtes Verhältnis zu meinen früheren Werken. Ich war erstaunt, dass sie doch recht kräftig sind. Ich dachte die Neuen sind viel besser als die Früheren. Da muss ich leider feststellen: Das sind sie nicht."

Viel Neues

Dennoch liegt der Schwerpunkt von Siegfried Anzingers Personale im Kunstmuseum Lentos nun auf seinen neuen Werken, von denen viele überhaupt zum ersten Mal ausgestellt werden: Serien mit Selbstbildnissen, Heiligendarstellungen, erotische Szenen im Cowboy- und Indianermilieu sowie ein Zyklus von so genannten "Paradiesbildern", bevölkert von nackten Frauen und wilden Tieren.

Sexuelle und religiöse Motive

Sexuellen wie religiösen Motiven ist Siegfried Anzinger seit den frühen 80er Jahren treu geblieben. Und zwar weil seine tägliche Arbeit offensichtlich alles andere als paradiesisch ist.

"Das Leben eines Malers ist in der Regel relativ langweilig. Man geht in der Früh ins Atelier, die Farben sind ausgetrocknet, die Pinsel hart, dann beginnt man mit der Vorzeichnung, dann setzt man mal Hintergründe und Vordergründe fest. Es ist an und für sich eine ziemlich langweilige Arbeit und so kleine Schweinereien dazwischen und Anflüge, an Gott zu denken, das stimuliert und pulvert einen ein bisschen hoch. Aber es ist ein privater Spaß."

Zum "Malerschwein" werden

Rund 80 "private Späße" von Siegfried Anzinger hängen derzeit im Linzer Kunstmuseum Lentos. "So eine Ausstellung wie diese hier bringt einem vielleicht schon was. Vielleicht muss ich wieder mehr zum Malschwein werden. Ich habe entdeckt, dass ich vielleicht doch ein bisschen intellektuell unterwegs war."

Textfassung: Rainer Elstner

Service

Siegfried Anzinger, 26. November 2010 bis 13. März 2011, Lentos Kunstmuseum,
Ö1 Club-Mitglieder bekommen ermäßigten Eintritt (30 Prozent).

Lentos - Siegfried Anzinger