Symposion und Ausstellung

Mumins belagern Wiener Hauptbücherei

Die Mumins sind Finnlands Exportschlager Nummer eins - nilpferdartige Trollwesen, erfunden von Tove Jansson, deren Todestag sich 2011 zum zehnten Mal jährt. Die finnische Botschaft zeigt derzeit in der Wiener Hauptbücherei eine Mumin-Ausstellung, außerdem findet dort ein Symposion statt, das sich mit Tove Jansson und ihren Werken beschäftigt.

Kulturjournal, 29.11.2010

Zwischen 1945 und 1970 hat Jansson neun Kinderbücher rund um die Mumin-Familie geschaffen, die in 40 Sprachen übersetzt wurden. Schon zu Lebzeiten Janssons wurden die Mumins vermarktet, mittlerweile haben die kleinen Wesen eine Renaissance erlebt, wurden in unzähligen Merchandise-Produkten vermarktet und sind als japanische Fernseh-Serie in der ganzen Welt bekannt geworden.

Gütige Mumin-Mama

Sie heißen Mumin und Mumrik, Mü und Hemul, Filifjonka oder Snorkfräulein und sie bevölkern das Mumintal – eine wundervolle paradiesische Gegend irgendwo im hohen Norden zwischen Meer und Gebirge.

Da gibt es die alles verstehende gütige Mumin-Mama mit ihrer praktischen Handtasche, den abenteuerlustigen, fernwehgeplagten Muminpapa mit Zylinder, der an seinen Jugenderinnerungen schreibt, den freiheitsliebenden Musiker Mumrik, der immer wieder seine Zelte abbricht und sich ohne Tasche auf den Weg macht, die anarchische und freche My, die im Nähkorb wohnt, und die eiskalte Morra, die eine Spur der Verwüstung hinterlässt.

Mit Katstrophen konfrontiert

Sie sind friedliebend und naturverbunden, humorvoll und tolerant, exzentrisch und verschroben, und manchmal sehr melancholisch. Und immer wieder werden sie mit Katstrophen konfrontiert – mit Kometeneinschlag, Sturm oder Hochwasser.

Tove Jansson hat ein Panoptikum von eigenartigen Zwischenweltfiguren geschaffen. Wenn man sich in diese Bücher einliest, hat man den Eindruck, dass jede Figur für sich ein eigenes Segment von Welterfahrung darstellt und auch kuriose Überlebens - und Kommunikationsstrategien entwickelt", so Ernst Seibert, Vorstand der Österreichischen Gesellschaft für Kinder und Jugendliteraturforschung.

Schreiben für das Kind in uns

"Ich schreibe nicht für Kinder, sondern für das Kind in jedem von uns", hat Tove Jansson einmal gesagt. Begonnen hat sie damit 1945, im Alter von 31 Jahren. Bis dahin, hat die 1914 in Helsinki geborene Finnlandschwedin als Zeichnerin und Grafikerin gearbeitet, und nicht nur Kinderbücher wie die Chroniken von Narnia illustriert, sondern auch für politische Zeitungen gearbeitet.

Das erste von ihr selbst in schwarz-weißen Tuschezeichnungen illustrierte Mumin-Buch war geprägt von den Erfahrungen des Krieges und zugleich die Flucht vor der Wirklichkeit in eine erfundene Welt.

"Es wird nie konkret von atomarer Bedrohung gesprochen. Diese Bedrohungen sind spürbar und auch übertragbar auf die heutige Situation", so Seibert.

Einsamkeit und Tod

Für Kinder sind es nette und spannende Abenteuergeschichten, für Erwachsene verbirgt sich dahinter ein ganzer Kosmos an psychologischen Archetypen. Gerade ihre letzten Bücher sind dünkler, fast depressiv und beschäftigen sich immer stärker mit dem Innenleben der Figuren. Das Thema Einsamkeit, Altern und Tod tritt stärker in den Vordergrund.

Jansson, die selbst viele Jahre lang von April bis November gemeinsam mit ihrer Lebensgefährtin auf einer einsamen Insel verbrachte, arbeitet stark mit Symbolen und Mythen, so Seibert: "Diese Doppelsinnigkeit zeichnet ihre Werke ganz besonders aus, sodass Jansson auch heute in der Erwachsenenwelt mit Begeisterung wahrgenommen wird und nach wie vor von Kindern wiederentdeckt werden kann und sollte."

Japanische Zeichentrickserie

Hierzulande wurden die Mumins einem breiteren Publikum erstmals in den 1960er Jahren bekannt. Da wurde der Mumin-Stoff von der Augsburger Puppenkiste aufgegriffen, in den späten 70er Jahren folgte eine polnisch-österreichische Puppentrickserie, mit der unverwechselbaren Erzählerstimme von Hans Clarin.

Am bekanntesten ist allerdings wohl die japanische Zeichentrickserie aus den 90er Jahren, die Tove Jansson allerdings nicht schätzte – die Geschichten wurden abgewandelt, verlieren ihre Tiefe, die Charaktere sind flach und vereinfacht. Und doch hat die Serie, die in 100 Ländern ausgestrahlt wurde, einen wahren Vermarktungsboom ausgelöst. Die Mumins zieren Kaffeehäferl, Bettwäsche, T-Shirts und Kekse und die finnische Tourismusbranche hat die Trolle als Werbeprodukt für sich entdeckt. Ein Mumin-Freizeitpark westlich von Turku lockt jährlich viele Tausend Besucher an. Und erst kürzlich ist ein Muminfilm in 3D erschienen, zu dem die isländische Sängerin Björk die Titelmelodie geschrieben hat.

Titelsong von Björk

Björk versteht sich als Mumin-Botschafterin. Sie ist mit ihnen aufgewachsen und liest sie ihren eigenen Kindern vor. Es ist das Nordisch-Minimalistische, die Naturverbundenheit, aber auch die exzentrische und antiautoritäre Stimmung der Bücher, die sie besonders liebt.

Es ist ein Phänomen, dass die Mumins sowohl zur Massenvermarktung taugen, als auch zum Inhalt von wissenschaftlichen Abhandlungen werden. In Forschungszentren, Doktorarbeiten und Symposien werden die Werke in all ihrer Vielschichtigkeit und psychologisch-philosophischen Hintergründigkeit durchleuchtet. Das Symposium in der Wiener Hauptbücherei wendet sich wohl eher an ein literarisches Fachpublikum, die kleine, feine Ausstellung gibt einen kurzen Überblick über Tove Janssons Leben und Werke. Aber vielleicht sind sie für den Einen oder Anderen Anlass, in den Mumin-Kosmos tiefer einzutauchen – es lohnt sich.

Die kleine Mumin-Ausstellung und das Symposium in der Wiener Hauptbücherei, das sich mit Tove Janssons Mumins auseinandersetzt, aber auch mit Tolkiens "Herr der Ringe" und C.S. Lewis "Die Chroniken von Narnia", laufen noch bis Dienstag, 30. November 2010.