Weihnachtsprogramm im Porgy & Bess
Carla Bleys Christmas Carols
Als "monströsestes Chamäleon, das der Jazz kennt" wurde Carla Bley einst in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" beschrieben. Immer für Überraschungen gut gastiert die Komponistin, Pianistin und Bandleaderin am Donnerstag, 2. Dezember 2010 mit ihrem Weihnachtsprogramm im Wiener Jazzclub Porgy & Bess.
10. Oktober 2017, 18:19
Kultur aktuell, 02.12.2010
In die Reihe der oft pathetisch-kommerziellen Sorte von Konzerten unter dem Label "Weihnachten" lässt sich dieser Abend nicht stellen. Im Gegenteil: Mit ihrem dekonstruierenden Blick selbst auf abgedroschene Gassenhauer wie "Jingle Bells" präsentiert Carla Bley gemeinsam mit dem Ed Partyka Brass Quintet einen spannenden und anspruchsvollen Konzertabend.
Eigentlich wollte Carla Bley ja schon seit Jahrzehnten ihre "Christmas Carols" auf die Beine stellen. Nur fand sie kein geeignetes Ensemble dafür, das auch bereit war, mitzumachen. Zu groß waren offenbar immer die Berührungsängste, damit nach altmodisch-schmalztriefendem Kommerz zu klingen.
Im Fall von Carla Bley, die in ihrer Karriere mit ihren Kompositionen quasi als Muse so vielen Bigbands und Stars, darunter Charlie Haden oder ihrem Ex Michael Mantler zu erfolgreichen Höhenflügen verhalf, hätten sie es besser wissen müssen. Doch erst vor vier Jahren als Artist in Residence im deutschen Essen, konnte sie ihren alten Plan realisieren.
Befreit von sentimentaler Nostalgie
Wenn auch Ironie durchaus mitspielt, so klingen ihre mit feiner klinge zerlegten Christmas-Carols durchaus auf ernsthafte Weise komplett neu, befreit von jeglicher sentimentaler Nostalgie.
Sie wollte weg von den weißen Weihnachten hin zu den braunen, sagt sie, da ja Christus auch nicht hier im Schnee geboren worden ist. So hebe sie etwa Tonskalen aus dem mittleren Osten eingesetzt. Und diese würden nun einmal nicht nach Bach klingen.
Bley als Anführerin
Einmal mehr hat sich Carla Bley mit ihrem Lebensgefährten Steve Swallow am Bass und den Bläsern rund um den Tubisten Ed Partika ein von starken männlichen Solistenpersönlichkeiten getragenes Ensemble zusammengestellt. Doch sie habe es nie schwer als Frau all die Männer anzuführen, hat selbst in ihren grandiosen Big Bands sie alle immer sie selbst sein lassen, sagt sie. Und wenn ihr einer nicht gepasst hat, weil er nicht gut genug war, hat sie ihn einfach nicht mehr engagiert.
Neben Mel Tormees Christmas-Song oder "Joy to the world" oder auch "Oh Tannenbaum" findet sich in Carla Bleys Weihnachtsalbum auch die eine oder andere Eigenkomposition. Alles abseits des totgespielten Weihnachts-Gefühlspathos. Wer also Weihnachtslieder an sich satt hat, ganz ohne aber auch nicht will, der ist beim heutigen Konzert und dem dazugehörigen Album gut aufgehoben.