Das Wunder nach dem Unfall

Klaus Trabitsch und sein Schicksal

"Die Begegnung, von der ich sprechen möchte, war nicht konkret mit einem Menschen, mit einer Person, sondern mit dem Schicksal." Der Musiker Klaus Trabitsch verweist auf eine ungünstige Bedeutung, die das Wort "Begegnung" auch haben kann. Denn nicht immer sind Begegnungen freiwillig, und sie verlaufen auch nicht immer harmonisch.

Klaus Trabitsch, Musiker

Der menschliche Geist kann Wunder vollbringen, wenn er Hoffnung schöpft.

Was das von Trabitsch angesprochene "Schicksal" angeht, so ist die Begegnung mit ihm wohl zufällig - und naturgemäß sinnbildhaft, die Auswirkungen indes sind höchst real und auf entscheidende Weise lebensverändernd: "Es gibt Begegnungen in meinem Leben, wo ich das Gefühl hatte, das war kein Zufall, das war eigentlich völlig klar, weil ich dem gegenüber offen war, ich habe mich innerlich aus irgendeinem Grund auf das eingestellt, und dann ist es eingetreten, dass zum Beispiel diese Person oder diese Gelegenheit plötzlich da war. Aber die wirklich wichtigen, großen Dinge entscheiden sich in der Sekunde. Man kann in seinem Leben so viel planen und so viel sich bemühen, dass alles passt, es ist immer nur ein Telefonanruf: Patsch, das ist passiert? Alles, was wir glauben, was wir in unserem Leben erledigen müssen, wo wir uns absichern können, Pensionen einzahlen und Ähnliches - wenn man dann aber in einem Rehabilitationszentrum ist und rundherum Leute, die die Beine, die Arme verloren haben, dann erfährt man: auf diese Art von Begegnung kann man sich nicht vorbereiten."

Vom Hals weg gelähmt

Trabitsch hat Mitte der 1990er Jahre einen Verkehrsunfall gehabt, der "ein bisschen skurril war", findet er: "Es war Glatteis und ich war ganz langsam unterwegs, bin aber trotzdem von der Straße runtergerutscht, das Auto hat sich in einem Graben überschlagen und - lange Rede, kurzer Sinn: ich war dann sieben Stunden in einem Operationssaal. Wie sie mich rausgezogen hatten, haben sie meinen Angehörigen gesagt: der Mann ist jetzt vom Hals weg gelähmt. Aufgrund der Verletzungen, der Rückenmarkswegschabungen und Verplattungen - das passiert jeden Tag mit Motorradfahrern und dergleichen, die sind alle vom Hals weg gelähmt. Und das war mir zugeteilt."

Klaus Trabitsch, der damals als Musiker überaus erfolgreich mit Erika Pluhar, Willi Resetarits oder Otto Lechner unterwegs war, befand sich mit einem Mal in einer existenziellen Ausnahmesituation und sollte laut ärztlicher Diagnose Opfer eines "grausamen Schicksals" sein. Doch dann, so Trabitsch, geschah etwas, was selbst die Ärzte als "kleines Wunder" bezeichneten: Einer von hundert Patienten mit den besagten Wirbelsäulenverletzungen kann laut Statistik wieder gehen. Der Unfallarzt an Trabitschs Krankenbett eröffnete dem Patienten, er gehöre zu dieser Gruppe. Erste Reflexionen in der Intensivstation.

"Da hat man viel Zeit zum Denken, wenn man so in seinem Bett liegt und langsam, nach zwei, drei Tagen zu sich kommt und begreift, was da passiert ist. Es war ein Doppelzimmer, der Kollege war Kranfahrer, der ist 23 Meter im freien Fall auf die Baustelle runtergefallen. Der Kranfahrer und ich, wir waren zwei Wunderkinder! Wir lagen also in dem Spitalsbett im AKH, ziemlich weit oben mit dem herrlichsten Ausblick - und da denkt man nach und überlegt und wird ganz klein und bescheiden und ordnet die Prioritäten im Leben neu."

Den Boden weggezogen

Klaus Trabitsch war zu der Zeit Mitte 30, hatte zwei kleine Kinder und eine Karriere, die gerade steil aufwärts ging: "Das war eine wunderbare Zeit mit dem Kurt Ostbahn, es gab wenig im Austropop, wo man Geld verdienen konnte, das auch für mich interessant war - bis auf den Ostbahn-Kurti, da hab ich mir immer gedacht: Das ist der einzige, wo ich erhobenen Hauptes rein- und rausgehen und sagen kann: Des is leiwand. Also ich war wirklich in der obersten Etage für meine Begriffe angekommen. Und dann auf einmal: zack - wird dir der Boden weggezogen."

Klaus Trabitsch glaubt nicht an "das Schicksal" als eigene Macht, eine Macht, die Unfallopfer einteilt in "Wunderkinder" und in "Pechvögel", die nie wieder gehen können. Was er indes weiß, ist dass der menschliche Geist Wunder vollbringen kann, wenn er Hoffnung schöpft.

"Bei mir war es konkret so, dass ich zunächst realisiert habe: Meine Zehen zucken, und ich habe gewusst, ich muss schauen, dass nicht nur die Zehen zucken, sondern dass sich die Füße ein bisschen bewegen. Ich habe die Finger vor mir gehabt, sie angeschaut, die Hände, die reglosen, und hab mich solange konzentriert, dass immer wieder dieser Finger sich streckt, und immer wieder den Impuls vom Hirn weg geschickt. Und irgendwann fängt der dann nach ein, zwei Tagen an, einen halben Millimeter zu zucken, und das ist ein Glücksgefühl, das ist unbeschreiblich schön."

Unterstützung von Freunden

"Aus den Begegnungen mit den anderen Behinderten hat mich am meisten beeindruckt, wie sie das unterbringen in ihrer Lebensauffassung, dass gerade sie im Rollstuhl sitzen. Die einen hat es beim Mopedfahren erwischt, bei den anderen hat ein Selbstmörder mit 150 die Fahrbahn gewechselt und ein Paar hat es dabei unschuldig getroffen: Der Mann war tot, sie im Rollstuhl. Ein anderer, ein junger Vertreter, ist nach der Disco gegen einen Baum geknallt. Zack - und plötzlich bist du der eine von den tausend, dem das Glück oder die Gesundheit verweigert wird."

Bei seinen Anstrengungen, wieder gesund zu werden, womöglich wieder Konzerte spielen zu können, wurde der Genesende übrigens nicht allein gelassen. "Der Willi Resetarits und die Erika Pluhar waren die ersten, die im Spital waren, sie sagten: Brauchst Geld? Wie schaut's aus? Du spielst natürlich wieder mit, sobald du wieder rauskommst, und wenn du nur Trommel spielst, also da war wirklich ein Netz da, ich habe Menschlichkeit erfahren; denen bin ich auch ewig dankbar."

Neue Dimension des Gitarrespiels

In den 1990erJahren hatte Klaus Trabitsch gemeinsam mit Otto Lechner und vielen anderen die schöne CD "Still" mit Neuinterpretationen klassischer Weihnachtslieder eingespielt. Nun reichen die beiden Musikanten, spät aber doch, ein Folgeprojekt nach: "White" heißt das neue Werk, für das Lechner und Trabitsch einmal mehr gemeinsam mit den Bethlehem Allstars sowie "begabten Gästen aus aller Welt" aufspielen.

Klaus Trabitsch ist von seinem Unfall übrigens eine partielle Lähmung der linken Hand geblieben; die Identität als Spitzengitarrist sei, so seine Definition, nicht mehr zu hundert Prozent gegeben. Eine neue Dimension des Spiels und des Lebens ist dafür dazugekommen.

"Ich hatte ja anfangs keine Kraft in den Fingern, konnte die Saiten nicht richtig niederdrücken, nur ein bissl, alles war so verhunzt und miserabel. Aber die Leute haben das nicht gemerkt, sie sind gekommen und haben gesagt: Sie haben ein Problem? Wir haben nichts gehört! Und da bin ich draufgekommen, dass es für die Leute überhaupt nicht wichtig ist, wie gefinkelt oder schnell oder sauber du spielst, das hört niemand und interessiert nur eine Handvoll Spezialisten. Aber alle hören und spüren, vielleicht bis auf die Spezialisten, ob du lustig oder traurig spielst! Und wenn das nicht so wäre, könnte ich von der Musik jetzt nicht mehr leben. - Ich tu unheimlich viel schwindeln; wenn ich jetzt zum Beispiel eine Aufnahmsprüfung am Konservatorium machen müsste und sollte schnell in einem hohen Tempo etwas aufspielen, ich könnt es nicht, das geht sich mit meinen Fingern nicht aus. Aber ich spiele trotzdem Solokonzerte und lasse die Zeit vergehen und schaue ein bisschen in die Luft dabei. Und die Leute merken: Der erzählt etwas."

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Klaus Trabitsch