Lissner warnt vor Italiens Sparpaket

Saisoneröffnung an der Scala

Mit Wagners "Walküre" eröffnet die Mailänder Scala nach einer dreiwöchigen Pause im November jetzt wieder die Saison. Intendant Stephane Lissner nützte die Chance, vor den Auswirkungen der staatlich verordneten Budgetkürzungen im Kulturbereich zu warnen. Lissner weist darauf hin, dass viele Stiftungen, die Opernhäuser in Italien verwalten, in ihrer Existenz und Finanzkraft bedroht sind.

Kulturjournal, 06.12.2010

Wagners Walküren - wie sie morgen bei der Eröffnung an der Mailänder Scala zu sehen sind - tragen Leder, Seide und Organza. Wie auf der Bühne schwebende Wolken - so hat sie der junge belgische Designer und Kostümbilder Tim van Steenbergen konzipiert: "Ich verwende sehr viel Leder, weil ich die Schwere darstellen wollte; die Bürde, die die Menschen tragen müssen. Gleichzeitig verwende ich aber auch viel Seide, als Symbol für die Leichtigkeit. Das Element Luft in der Walküre - der Wind - das ist für mich sehr wichtig."

Van Steenbergen liebt es, seine Kreationen von langer Hand vorzubereiten. Sie sind raffiniert, werden in feinster Handarbeit hergestellt und sind naturgemäß nicht billig.

Extreme Budgetkürzungen

Bis dato war das kein Problem. in Zukunft könnte das selbst an Italiens Vorzeigehaus anders werden, warnt Intendant Stéphane Lissner: "Die Theater insgesamt haben große Schwierigkeiten, weil der staatliche Beitrag für Film und Bühne in den vergangenen Jahren ständig gekürzt worden ist. Zuerst von 700 Millionen Euro auf 500, dann auf 400 Millionen. Und für das kommende Jahr sind überhaupt nur mehr 280 Millionen Euro vorgesehen. Für die Scala bedeutet das: Man will uns 17 Millionen Euro streichen. Das spricht für sich. Denn mit 17 Millionen weniger kann die Scala ihr Niveau nicht beibehalten. Weder was die Musik noch was die Bühne anbelangt."

Schon 2010 wurde die öffentliche Finanzierung der Scala von ursprünglich 37 Millionen auf 32 gekürzt. Für 2011 würden nach den von der Regierung Berlusconi geplanten Einschnitten - eben abzüglich der siebzehn Millionen - dann gar nur mehr 15 an das Mailänder Opernhaus fließen.

Kultur aktuell, 06.12.2010

Missachtung der Intendanten-Leistung

Intendant Lissner findet das nicht nur den kulturinteressierten Bürgern gegenüber unverantwortlich, sondern auch als Missachtung der eigenen Arbeit gegenüber: "Es ist uns gelungen seit 2005 Jahr für Jahr eine ausgeglichene Bilanz vorzulegen. Denn wir wissen genau, wenn ein Betrieb ins Defizit abrutscht, wird es sehr schwierig, Sponsoren, aber auch das Publikum selbst am Haus zu halten. Für uns ist eine gute Verwaltung daher Pflicht und die Basis von allem."

Die angespannte Lage bringt Unruhe ins Haus. Danilo Rossi ist mit Leib und Seele Musiker und seit 25 Jahren an der Scala. Der Solobratschist sieht die Zukunft für Italiens Kulturbetrieb schwarz. "Jetzt sind es mehr als sieben Jahre, dass unser Kollektivvertrag nicht erneuert worden ist. Deswegen hat es auch immer wieder Streiks gegeben. Aber inzwischen geht es schon gar nicht mehr darum. Das Problem ist viel schlimmer. Jetzt geht es darum, dass ein ganzes System vernichtet werden sollte."

Absage von Kulturminister

Kulturminister Sandro Bondi hat übrigens seine Anwesenheit beim morgigen Saisonstart schon abgesagt. Er will sich angekündigten Protesten offenbar nicht aussetzen. Musiker und Belegschaft wollen ihre Anliegen daher Staatspräsident Giorgio Napolitano vorbringen, der - so heißt es hier in Mailand - immer ein offenes Ohr für sie hat.
"Artikel Neun unserer Verfassung ist ganz eindeutig: Die Kultur muss vom Staat unterstützt werden", betont Rossi. "Der Staat hat die Aufgabe in die Kultur zu investieren. Wenn man nicht einmal mehr die Verfassung respektiert, dann kann ich nur sagen: es geht uns echt schlecht.

Kultur als öffentliches Gut

Mit dabei beim Gespräch mit dem Staatspräsidenten wird auch die Violinistin Elisa Citerio sein: "Die Kultur braucht, um sich frei ausdrücken zu können, öffentliche Mittel. Denn sobald sie private Mittel erhält, hängt sie auch von diesem Sponsor ab. Außerdem ist die Kultur ein öffentliches Gut. Wenn der Staat seine Finanzierung streicht, dann wird es sehr schwierig für den Kulturbetrieb, frei gestalten zu können."

Intendant Lissner fordert von der Regierung Berlusconi daher mehr Autonomie und eine Sonderregelung für sein Haus. Nur so könne er die Fußangeln der jüngsten Opernhausreform - sprich Personalkürzungen und finanzielle Streichungen - besser abfedern. Das gute Resultat der Scala mit 319 Aufführungen jährlich rechtfertige das, ist Liessner überzeugt. Außerdem kommen ohnehin bereits rund 60 Prozent aus privater Hand.

Allgemein plädiert er aber für eine Anpassung der staatlichen Finanzierung: "Eine Lösung könnte sein, dass wir den staatlichen Fond für das kommende Jahr auf das Niveau von 2009 zurückführen. Das wären 460 Millionen Euro. Wir hätten dann immer noch Schwierigkeiten, aber wenigsten könnten die Opernhäuser ihre Arbeit fortsetzen. Wenn weniger veranschlagt wird, dann ist das der Beginn von Schließungen von Theatern. Ich will jetzt nicht unken, aber mit 280 Millionen Euro wäre rund die Hälfte der Stiftungen gezwungen, zu schließen."

Dessen ungeachtet, sind sich alle aber einig, wird es morgen eine großartige Premiere geben. Die öffentliche Vorpremiere hat jedenfalls gefallen.