Stopp des Siedlungsbaues keine Bedingung mehr

USA gibt gegenüber Israel nach

Es ist ein großer Rückschlag für die Nahost-Friedensverhandlungen: Die USA geben nach und verlangen von Israel keinen Stopp des umstritten Siedlungsbaus in jenem Gebiet, das von den Palästinensern beansprucht wird. Ein Ende dieses Siedlungsbaus ist für die Palästinenser eine der zentralen Bedingungen für die Aufnahme direkter Friedensgespräche.

Abendjournal, 08.12.2010

Gegenseitige Schuldzuweisungen

Nachdem die USA ihre Forderung nach einem neuen Baustopp für jüdische Siedlungen im Westjordanland fallengelassen haben, schieben sich Israelis und Palästinenser gegenseitig die Schuld für die mangelnden Fortschritte bei den Friedensverhandlungen zu. Der israelische Kabinettssekretär Zvi Hauser erklärte, das Problem liege nicht auf israelischer Seite, sondern es seien die Bedingungen der Palästinenser für weitere Friedensgespräche. Ein Berater des palästinensischen Präsidenten Mahmoud Abbas (Abu Mazen), Yasser Abed Rabbo sagte, die Israelis seien Schuld an dem "Scheitern" der Amerikaner.

Keine neue Bauunterbrechung

Kurz zuvor waren die USA von ihrer zentralen Forderung nach einem neuen Moratorium abgerückt. Wegen des Streits um den anhaltenden israelischen Siedlungsbau im Westjordanland und in Ostjerusalem sind die Direktverhandlungen seit dem 26. September unterbrochen. Damals war ein zehnmonatiges Baumoratorium ausgelaufen. Die Verhandlungen waren erst drei Wochen zuvor unter US-Vermittlung wieder aufgenommen worden.

Lippenbekenntnisse?

Die Palästinenserführung reagierte auf den Rückzieher der USA verärgert. Sie kündigte an, die internationale Gemeinschaft um Hilfe bei der Gründung eines unabhängigen Staates zu bitten. Die israelische Regierung teilte am Mittwoch mit, dass sie sich den Bemühungen um einen historischen Frieden mit den Palästinensern weiterhin verpflichtet fühle.

Baustopp als Bedingung

Der US-Regierung war es in den vergangenen beiden Monaten nicht gelungen, im Siedlungsstreit zwischen Israel und den Palästinensern zu vermitteln. Palästinenserpräsident Abbas verlangt als Vorbedingung für direkte Verhandlungen, dass Israel einen Baustopp in allen Siedlungen im Westjordanland sowie Ostjerusalem verhängt. Die rechte und siedlerfreundliche Mehrheit in der israelischen Regierungskoalition lehnt dies ab.

Wieder Pendeldiplomatie

Israelische Kommentatoren rechnen damit, dass die US-Regierung jetzt wieder zu indirekten Friedensgesprächen zurückkehren will. Dabei pendelt ein US-Vermittler mit Fragen und Antworten zwischen Jerusalem und Ramallah. In den israelischen Medien wird darüber hinaus schon längere Zeit spekuliert, dass der Nahost-Gesandte George Mitchell abgelöst werden könnte.

Israel sollte Bau für drei Monate unterbrechen

Die US-Regierung wollte nach Medienberichten mit einem "lukrativen Paket" aus diplomatischen Anreizen und militärischer Hilfe die Regierung in Jerusalem dazu bewegen, die Bauaktivitäten wenigstens für einen Zeitraum von drei Monaten ruhen zu lassen. Während dieser Zeit sollten Israel und die Palästinenser unter anderem über die Grenzen eines unabhängigen Palästinenserstaates verhandeln.

Obamas Regierung habe sich jetzt zu dem Schritt entschieden, weil auch eine 90-tägige Frist keine von den USA erhofften Fortschritte in Kernfragen erbracht hätte, berichtete die "New York Times". "Es gab zu unterschiedliche Erwartungen über die Bedingungen eines Moratoriums, die zu besprechenden Themen während eines Moratoriums und was passieren soll, wenn das Moratorium ausläuft", zitiert das Blatt einen ranghohen Regierungsmitarbeiter.

Palästinenser tief enttäuscht

Die US-Regierung hatte sich seit nunmehr fast drei Jahren für einen Baustopp in israelischen Siedlungen im Westjordanland eingesetzt. Die Palästinenserführung reagierte nach der Ankündigung des Kurswechsels verärgert. "Wir sind überrascht, dass die USA nicht öffentlich Israel verurteilen", sagte der Generalsekretär der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), Yasser Abed Rabbo. "Wenn die USA nicht einmal in der Lage sind, Israel zu einem befristeten Baustopp zu bewegen, um ernsthafte Verhandlungen zu führen, wie wollen die USA dann Israel dazu bringen, eine Zwei-Staaten-Lösung in den Grenzen von 1967 zu akzeptieren?" fragte der enge Vertraute des Palästinenserpräsidenten Abbas. (Texte, Red., APA)

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