Migrationsforscher zu neuen Zuwanderungsregeln

Rot-Weiß-Rot-Card: An Feinheiten noch feilen

In einigen Punkten verbesserungswürdig, aber im Prinzip gut. So beurteilt Bernhard Perchinig, Migrationsforscher an der Uni-Wien die von der Regierung präsentierte Rot-Weiß-Rot-Card. Diese Karte regelt ab Mitte kommenden Jahres die Zuwanderung aus Nicht-EU-Ländern.

Die Aufnahmebedingungen basieren auf einem Punktesystem. Kriterien sind unter anderem berufliche Qualifikation, Ausbildung, Sprachkenntnisse und Alter. Für Perchinig ist das grundsätzlich auch ein guter Ansatz, aber dennoch gibt es einige Bereiche, in denen das Modell seiner Meinung nach etwas krankt.

Morgenjournal, 10.12.2010

50.000 Euro-Grenze zu hoch

Es sollen vor allem Spitzen- und Fachkräfte nach Österreich geholt werden, die möglichst jung sind und einen Beruf haben, dem zu wenige Einheimische nachgehen. So lautet - grob verkürzt - das Prinzip, auf dem die Rot-Weiß-Rot-Card basiert.

Im Prinzip sei dies richtig, sagt Migrationsforscher Bernhard Perchinig. Der Teufel steckt aber bekanntlich im Detail, und so findet auch der Experte noch einige Punkte, die seiner Meinung nach überarbeitet werden sollten. Punkt eins: hochqualifizierte Spitzenkräfte, etwa Manager, müssen zuletzt ein Mindesteinkommen von 50.000 Euro Brutto jährlich gehabt haben. Reichlich viel, so Perchinig denn etwa für Länder wie Indien sei dies zu hoch. Das müsste man noch gewichten.

Problem Mangelberuf

Zweitens: kommen darf, wer einen Mangelberuf hat, der am heimischen Arbeitsmarkt besonders gefragt ist. Derzeit sind das etwa Fräser, Fliesenleger, Schweißer, Elektroinstallateur oder Krankenschwestern. Diese Mangelberufe sind laut Perchinig retrospektiv, es könnte also sein, dass es diesen Mangel in kurzer Zeit nicht mehr gibt.

Anerkennungskriterien verbessern

Außerdem stelle sich bei den Mangelberufen die Frage, wie die Ausbildung bewertet wird, sagt Bernhard Perchinig. Dazu bräuchte es ein schnelles Vergleichssystem der Ausbildungen und der fehlenden Zeugnisse.

Voraussetzung: Englisch

Gut findet der Migrationsforscher, dass Spitzen- und Fachkräfte VOR dem Zuzug keine Deutschkenntnisse aufweisen müssen, sondern dass Englisch genügt. Denn Deutsch sei eine regionale Sprache und im internationalen Schulunterricht nur selten vertreten.

Familienangehörige, die nach Österreich mitkommen, müssen jedoch in den meisten Fällen schon vor der Einreise Deutsch können. Insbesondere bei den Mangelberufen könnte das zum Problem werden, findet der Migrationsforscher.

Nachbesserungsbedarf

Wie viele von 100 möglichen Punkten würde er der Rot-Weiß-Rot-Karte geben? 60, sagt er, denn es gebe noch Nachbesserungsbedarf und manche Bereiche seien noch nicht berücksichtigt.

Insbesondere wünscht sich Perchinig, dass auch Fremdsprachenkenntnisse außer Deutsch und Englisch berücksichtigt werden und es Erleichterungen für gut qualifizierte Familienangehörige gibt.