Die Kunstbiennale von Kairo

Gräben trennen Kulturen

Die Kunstbiennale in Kairo versucht eine Brücke zu schlagen zwischen der westlichen Welt und dem afrikanischen Kontinent. Künstler aus Katar, Nigeria und Südafrika treffen dort auf Künstler aus den USA, Großbritannien und Österreich.

Trotzdem tun sich in Kairo zwischen westlicher und islamischer Welt tiefe Gräben auf.

Kultur aktuell, 14.12.2010

Auf allen Vieren

Eine große öffentliche Erregung löste eine Performance in den Straßen von Kairo aus, bei der die ägyptische Künstlerin Amal Kenawy etwa 20 Menschen auf allen Vieren durch die Straßen marschieren ließ. Wie ihre Dokumentation in der Biennale zeigt, schrien die aufgebrachten Männer sie an: "Willst Du unseren Stolz als Ägypter beschmutzen, wenn Du Menschen wie Schafe gehen lässt?" Und sie riefen: "Schande über Dich!"

Die Künstlerin wurde verhaftet und auch die Polizisten meinten: Das sei doch keine Kunst!, erzählt Amal Kenawy, eine der international anerkanntesten ägyptischen Künstlerinnen, die unter anderem 2007 bei der Biennale in Venedig ausstellte.

Unbequeme Künstlerin ausgezeichnet

Mit Amel Kenawy wurde heuer von der internationalen Jury wieder eine politisch unbequeme Künstlerin mit dem umgerechnet mit etwa 12.000 Euro dotierten Biennale-Preis ausgezeichnet. Auch wenn es die Zensoren wohl als unpassend empfinden, dass der ägyptische Stolz da so in den Dreck gezogen wird, sie lassen das zu, weil Kunst in Ägypten ohnehin keine breite Öffentlichkeit erreicht, meint Achim Hochdörfer, der Kurator des Österreichbeitrags in Kairo, der dort die Künstlerin Ulrike Müller präsentiert.

Außerdem sei das wohl eine Maßnahme der säkularen Regierung, ein Gegengewicht zu der massiv fortschreitenden Islamisierung zu schaffen, erklärt der Kanadier William Wells, der seit den 90er Jahren sehr erfolgreich eine Kunstinitiative in Kairo leitet. Denn in den letzten vier Jahren seien die großen Kunstschulen von Islamisten übernommen worden, man habe alle Statuen und Skulpturen hinausgeworfen und es sei nur mehr erlaubt, Tiere abzuzeichnen.

Lehrer verlassen Kunstschulen

Ambitionierte Lehrende hätten die Kunstschulen verlassen, erzählt Wells. Auch junge Künstlerinnen nehmen gerne Gelegenheiten wahr, im Ausland zu arbeiten, wie die Ägypterin Hala Elkoussy, die derzeit in Holland lebt. Sie sagt, heute sei sie in Kairo die einzige, die wie die Touristinnen unverschleiert gehen.

Noch vor 20 Jahren konnte man die Verschleierten abzählen, bis heute hat sich das Verhältnis komplett umgekehrt. Dass das eine neue Mode sei, will Hala Elkoussy nicht gelten lassen. Heute sei der Gruppendruck gewaltig: Wenn sie keinen Schleier trage, werde ihre ganze moralische Haltung in Frage gestellt. Es sähe vielleicht aus wie eine Mode, aber nur, wenn man nicht wahrnehmen wolle, was wirklich dahinter stecke.

So zeigt die Kairo Biennale sehr gute arabische Künstlerinnen und Künstler ebenso wie Lokalmatadore - und stellt eine Bastion der Aufklärung in einem zunehmend islamisierten Land dar.