Bilanz des Kulturhauptstadtjahres

Das war Ruhr 2010

Eine europäische Kulturhauptstadt, die eigentlich keine Stadt ist, aber sich flugs zur Metropole erklärt, das ist das Ruhrgebiet in Deutschland. Ein Jahr lang wurde dort unter dem Motto "Wandel durch Kultur" versucht, der Region ein neues Gesicht zu geben.

Kultur aktuell, 17.12.2010

Denn der Glaube, dass die Wäsche im Ruhrgebiet schwarz wird, wenn man sie aufhängt, hat sich über Jahrzehnte gehalten, auch wenn die schmutzige Industrievergangenheit zum Großteil schon lange her ist.

Autobahn als Flaniermeile

Es war der Höhepunkt des Kulturhauptstadtjahres, die Aktion Still-Leben auf der sonst meistbefahrenen Autobahn im Ruhrgebiet. Einen Tag lang verwandelte sie sich in eine 60 Kilometer lange Flaniermeile, auf der unzählige Teilnehmergruppen ihre Art von Kultur zelebrierten, von der Geburtstagsfeier über Zauberei und Artistik bis zu traditionellen Bergmannstönen.

Es war die Balance zwischen alter Tradition und neuen Ufern, die die Veranstalter halten wollten und mussten. Aufbauend auf dem industriellen Erbe der Region, auf Kohle und Stahl, die jahrzehntelang hier alles bestimmten, wollten sie auf das aufmerksam machen, was sie stolz Metropolenregion nennen. Ist das Vorhaben gelungen? Wer sich in der Gegend umhört, der stößt auf geteilte Meinungen.

"Es waren ja mehr Baustellen als alles andere zu sehen", so eine Teilnehmerin. "Das kostet uns nur Geld", ärgert sich ein anderer. Und ein Jugendlicher meint: "Puh, 21 Tote auf der Love Parade, das ist hängen geblieben - das ist der Haupteindruck, der sich bei mir verfestigt."

Tragödie bei Love Parade

Das war der Tiefpunkt des Kulturhauptstadtjahres, nur eine Woche nach dem fröhlichen Höhepunkt auf der Autobahn. Die Love Parade in Duisburg, mit dem Hauptstadtprojekt gemeinsam vermarktet und propagiert, endete in einer Tragödie, die im Rückblick vollkommen vorhersehbar anmutet. Man hatte versucht, hunderttausende Besucher durch einen engen Tunnel zu zwängen, den einzigen Zu- und Abgang des Veranstaltungsgeländes. Fritz Pleitgen, der Cheforganisator des Kulturhautstadtjahres, macht in seiner Bilanz deutlich, dass dieses Ereignis allen noch tief in den Knochen steckt.

"Die Tragödie der Love Parade ist natürlich nicht aus unseren Köpfen raus. Wir denken immer wieder an das Schicksal der Betroffenen, an die Angehörigen. Wir werden in unserer finalen Veranstaltung auch noch mal auf diese Tragödie eingehen. Sie war ein Ereignis, das im Jahr der Kulturhauptstadt stattgefunden hat und das wollen wir nicht verdrängen", so Pleitgen.

Metropole neuen Typs

Was sonst geblieben ist vom Kulturhauptstadtjahr, da ist Fritz Pleitgen doch recht angetan: "Das Ruhrgebiet ist als Metropole neuen Typs wahrgenommen worden und das war uns ein wichtiges Anliegen."

Und Geschäftsführer Oliver Scheytt sekundiert, das riesige Vorhaben hätte auch neues Selbstbewusstsein geschaffen: "Ich freue mich außerordentlich, dass sich die Bürgerinnen und Bürger so aktiv eingebracht haben in das Kulturhauptstadtjahr. Und die kreative Klasse der Künstlerinnen und Künstler und in den Kultureinrichtungen, die hat bewiesen: Sie können zusammen ganz viel bewirken."

Was bleibt

Was wird bleiben von 300 Projekten und 5000 Veranstaltungen? Neue Museumsbauten zum Beispiel, in Essen, Dortmund, Hagen und Duisburg. Und ein Videokunstzentrum auf dem alten Zechengebäude Nordstern in Gelsenkirchen, gekrönt von einer 18 Meter hohen Monumentalstatue von Markus Lüpertz.

Der Herkules von Gelsenkirchen wird an diesem Wochenende enthüllt und wacht fortan über die Ruhr-Region, die ihre Neuerfindung mit dem Kulturhauptjahr noch lange nicht als abgeschlossen betrachtet.

Textfassung: Rainer Elstner

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Ruhr 2010
Ruhr 2010 - Still-Leben