Bekenntnisse einer Yoga-Lehrerin

Alle sind erleuchtet

Yoga wurde vor allem in der letzten Dekade als denkbar einfacher Weg zum Glück verkauft - und damit zum Massenphänomen. Die deutsche Journalistin Kristin Rübesamen ist diesen Weg mitgegangen. Sie hat in New York und London als Yogalehrerin gearbeitet und nun ihre durchaus kritischen Betrachtungen niedergeschrieben. "Alle sind erleuchtet" heißt ihr Buch.

Im "OM Yoga Center", in einer wenig glamourösen Gegend Manhattans gelegen, wurde Frau Rübesamen erleuchtet. Die damals laut Eigendefinition "gutverdienende, kettenrauchene Fernsehproduzentin" war eine, die gängigen Klischees entsprechend stets eine ironische Spitze in petto und prinzipiell wenig Interesse für Themen übrig hatte, die sich professionell nicht verwerten ließen.

Flucht aus der Einsamkeit

Kaum in New York angekommen fühlte sie sich vor allem einmal eines: einsam. Der Ehemann stürzte sich in seinen neuen Job, die Kinder wurden versorgt, was blieb war diese gigantische Stadt und das Gefühl, keinen Boden unter den Füßen zu haben. Dem Tipp einer guten Freundin folgend, checkte sie also im "OM" ein und war schon in der Garderobe in Sekundenschnelle beseelt von der einzigartigen Yoga-Atmosphäre. Die tiefe Gelassenheit in den Gesichtern der verschwitzten Teilnehmer; die "ernsthafte Nebensächlichkeit", mit der sie ihre flachen Bäuche vorführten und die Wärme, die scheinbar jede ihrer Zellen ausstrahlte.

Inhale. Exhale. Inhale. Exhale. Yoga-Übungen mit exotischen Namen wie Trikonasana, Parsvottanasana oder Parsvakonasana waren zunächst die reinste Qual. Das wichtigste für sie als Yoga-Neuling war, Geduld zu lernen. Wer Erfolgserlebnisse wollte, musste nicht nur die einzelnen Übungen beherrschen, sondern vor allem seinen Körper verstehen lernen.

Es ging um Atmung, Muskeln, Knochen, um Sitzbeinhöcker, den Oberschenkelhals und natürlich den berühmt-berüchtigten Iliopsoas, - einen Muskel, der an der hinteren Wirbelsäule ansetzt und bei den meisten untrainierten Menschen für steife Hüften verantwortlich zeichnet. Mit Feuereifer begab sich Kristin Rübesamen bald schon täglich in die "Welt der Vedrehten". Doch Ehrgeiz, - und das merkte die forsche Deutsche schnell - ist unter Yogis "in etwa so populär wie eine Badehose am FKK-Strand".

Verkürzte Sicht der Dinge

Aber worum geht es dann eigentlich beim Yoga? Warum begeben sich Millionen Menschen tagtäglich erwartungsvoll in absurde Haltungen mit lächerlichen Namen? Prinzipiell ist Yoga eine der sechs klassischen Schulen der indischen Philosophie - und tritt in vielen unterschiedlichen Formen auf. Im Westen wird der Begriff Yoga jedoch hauptsächlich und fast schon automatisch mit den Asanas, den körperlichen Übungen, gleichgesetzt.

Das Ziel des modernen Yoga ist die persönliche Entwicklung. Und gerade weil dieser weitläufige Ansatz so viel verspricht, verknüpfen so viele Menschen so viele Hoffnungen mit Hund, Kobra und Fisch. Natürlich gibt es Erfolge: Rückenschmerzen, Durchblutungsstörungen, Depressionen - für viele gehören diese Leiden dankt Yoga der Vergangenheit an.

Frau Rübesamen schreibt, Yoga habe ihre Aufmerksamkeit geschärft, ihr Disziplin beigebracht und Kraft gegeben. Und sie erlebe "Momente der Freiheit", der kompletten Entspannung, was durchaus dem nahe kommt, wie es schon die alten Yogis formuliert haben: "den Einklang mit sich selbst erleben, an der Schwelle des Absoluten".

Geschlossene Gesellschaft

Kristin Rübesamen, die nach wie vor als Yoga-Lehrerin in Berlin arbeitet, weiß was einem Yoga an Lebensqualität bringen kann und schildert dies dankenswerterweise in völlig Esoterik-freier Sprache. Sie kritisiert aber vor allem, in welch völlig fehlgeleitete Bahnen der Yoga-Hype des letzten Jahrzehnts die an sich sanfte Ich-Suche geleitet hat. Zu viele Ichs haben den Trend vor allem dazu genützt, ihre nach Karriere-Tiefs arg ins Minus geratene Bankkonten wieder auszugleichen.

Bestes Beispiel ist die Yoga-Szene in Berlin. Vor fünf Jahren noch intim und überschaubar, wuchs sie zu einem riesigen Business an. Aus lauter Angst, am großen Geschäft nicht mitnaschen zu können, bekämpfen sich gar nicht entspannte Lehrer und Studio-Besitzer mit bösen Briefen. Die Yogawelt, so Rübesamen, stellt sich heute als geschlossenes System dar - mit zur Selbstkritik völlig unfähigen Beteiligten.

Burn-out bei Yoga-Lehrern?

Übende, die gemeinsam unzählige Male "Mögen alle Menschen glücklich und frei sein" gesungen haben, verstricken sich in neidische Kleinkriege und lächerlichen Größenwahn. Auf der Yogakonferenz im Mai dieses Jahres in Köln fiel im Zusammenhang mit Yogalehrern zum ersten Mal der Begriff Burnout. Aber vielleicht, so resümiert die Journalistin, die früher auf den Spitznamen "Kalaschnikow" hörte, vielleicht betreiben viele Yoga deshalb mit solch religiöser Inbrunst, weil die Verbindung zur Welt und zu den Menschen, mit denen man darin auskommen muss, nur noch über Yoga funktioniert.

Egal ob Rübesamen von ihren enttäuschenden Indien-Erfahrungen berichtet oder von diversen Begegnungen mit doch eher schrägen Gurus erzählt - ihr Buch ist eine sehr diesseitige Einführung und stellenweise sehr witzige Abrechnung mit einem Phänomen, das viele schlichtweg falsch verstanden haben und mit dem nach wie vor zu viele unrealistische Hoffnungen verknüpft werden.

Service

Kristin Rübesamen, "Alle sind erleuchtet", Berlin Verlag