Für einsame, alte und kranke Menschen
Pflegekräfte einziger Kontakt
Der erschwerte Zugang zur Pflegestufe eins kann dazu führen, dass alte Menschen völlig alleine daheim sitzen - für viele sind die regelmäßigen Besuche von Pflegekräfte der einzige Kontakt mit Menschen überhaupt, das zeigt sich in der Praxis deutlich: Eine Reportage.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 23.12.2010
Bewegung nur mit fremder Hilfe
Margarete Hafner ist 79 Jahre alt und wohnt in einer kleinen Substandard-Wohnung in Wien-Währing. Vorzimmer gibt es hier keines, man steht gleich in der Küche, der E-Herd, die Abwasch und die Resopalmöbel sind viele Jahrzehnte alt und abgenutzt - genauso wie der Tisch und das Bett im anschließenden Zimmer, in dem sich Frau Hafner Tag und Nacht aufhält und die meiste Zeit fernsieht.
Frau Hafner sitzt den ganzen Tag auf einem Stuhl, den sie bei Bedarf als Leibstuhl verwenden und wieder verschließen kann, neben dem Tisch steht eine Gehhilfe, ein sogenannter Rollator, nach einem Brust-Tumor, mehreren Operationen und einem Oberschenkelbruch vor zwei Jahren kann die 79-Jährige ohne fremde Hilfe allerdings nicht mehr als ein zwei kleine Schritte tun. Besuch von Familie oder Freunden bekommt Frau Hafner nur selten.
Notrufarmband
Mit dem Netz meint Frau Hafner ihre Anbindung an eine Notruf-Zentrale, über eine Funkstation an der Wand und eine Funkarmbanduhr, die einfach mittels Knopfdruck zu bedienen ist, kann sie jetzt jederzeit Hilfe holen. Dass es dieses Notfall-System und seit zwei Jahren auch Warmes Wasser in der Wohnung gibt, dafür hat Asghar Jarvad gesorgt. Der Diplomkrankenpfleger arbeitet für die Volkshilfe, er und seine Kollegin kommen abwechselnd drei Mal in der Woche für eine Stunde zu Frau Hafner, dabei übernehmen sie dann auch die Mittagsschicht der Heimhilfen, die Frau Hafner drei Mal täglich unterstützen.
Einziger Sozialkontakt
Während Herr Jarwad das Mittagessen für Frau Hafner in der Mikrowelle aufwärmt, erzählt er, dass er und seine Kollginnen und Kollegen von der Volkshilfe das einzige soziale Netzwerk sind, das Frau Hafner hat. Sie haben sich nicht nur um eine Therme gekümmert, sondern auch die einzige Heizung in der Wohnung besorgt, sie Waschen Frau Hafner, machen den Haushalt, gehen einkaufen für sie und helfen der Mindestpensionistin dabei, mit ihrem Geld auszukommen. Und: Sie durchbrechen Frau Wagners Einsamkeit.
Das bestätigt auch Manuela Heugl. Heugl ist seit 17 Jahren in der Pflege tätig, zuerst als Heimhelferin jetzt als Pflegehelferin, sie hat gerade das Haus einer Klientin in Wien Döbling verlassen. Das ist auch die Erfahrung von Milena Cwetsch. Die ehemalige Köchin arbeitet seit 8 Jahren als Heimhilfe und ist gerade am Weg von einem Klienten in Wien Währing zum nächsten.
Pflegegeld dringend benötigt
Ohne Pflege-Betreuung sind viele Menschen aber nicht nur einsam, ihre Wohnungen sind oft in einem katastrophalen Zustand erzählt Cwetsch. Und diese Zustände könnten fortgeschrieben werden, wenn jemand durch den erschwerten Zugang die Pflegestufe eins jetzt nicht bekommt. Und fortgeschrieben werden dadurch, könnte auch die Einsamkeit, sagt nicht nur Milena Cwetsch sondern auch Pflegehelferin Manuela Heugl.
Zurück in der Wohnung von Frau Hafner. Die 79-Jährige hat mittlerweile aufgegessen, Asger Jawad wäscht das Geschirr ab. Auch der Pfleger fürchtet durch den erschwerten Zugang zur Pflegestufe eins negative Folgen für davon betroffene Menschen.
Frau Hafner hat zumindest diese Probleme zum Glück nicht, nach zwei Ablehnungen hat sie die Pflegestufe 3 zugesprochen bekommen und wird drei Mal täglich von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Volkshilfe betreut. Da Frau Hafner das Haus nur mit fremder Hilfe, also maximal dreimal die Woche verlassen kann, freut sie sich über diese Abwechslung immer sehr.