Hunger auf Kunst und Kultur

Tickets für die Ärmsten

In Österreich sind 500.000 Menschen von Armut betroffen. Das Partizipieren an vielen Bereichen des Lebens ist für arme Menschen vielfach nicht möglich - dazu gehört auch Kunst und Kultur. Dem möchte man mit der Kulturpass-Aktion "Hunger auf Kunst und Kultur" entgegenwirken.

Mittagsjournal, 24.12.2010

Überlebensmittel

Kunst und Kultur gehören zu den Überlebensmitteln einer demokratischen Gesellschaft, und doch bleiben sie für viele nicht leistbarer Luxus. Das hat auch Airan Berg, der ehemalige Leiter des Wiener Schauspielhauses, erkannt und vor sieben Jahren gemeinsam mit der Armutskonferenz die Aktion "Hunger auf Kunst und Kultur" gegründet.

Mit einem Kulturpass können einkommensschwache Menschen bei freiem Eintritt Theater, Museen oder Konzerte besuchen, erklärt Monika Wagner vom Verein Hunger auf Kunst und Kultur: "Ein Jahr lang war das Schauspielhaus die einzige Einrichtung, wo man mit dem Kulturpass freien Eintritt bekommen hat. Dann ist es sukzessive gewachsen, bis wir 2006 einen Verein gegründet haben, der seit 2007 von der Stadt unterstützt wird - auch, um Kulturpartner ganz gezielt anzusprechen."

450 teilnehmende Institutionen

Mittlerweile ist die Aktion in ganz Österreich verbreitet - 450 Kulturinstitutionen nehmen daran teil, über 150 allein in Wien. Und auch in anderen Städten, in Jena, Frankfurt, Stuttgart und Luxemburg hat man sich an Wien ein Beispiel genommen.

"Ideen, so etwas Ähnliches zu machen gab es woanders vielleicht auch, aber letztlich ist man dann auf unser Wiener Modell zurückgekommen, um unsere Erfahrungen einzuholen", so Wagner.

Pass gibt's bis 951 Euro Einkommen

Personen, die unter der Armutsgefährdungsgrenze leben, haben Anspruch auf den Kulturpass, das ist bei einer Alleinstehenden Person ein Nettoeinkommen von 951 Euro. Beantragen kann man ihn bei verschiedenen Sozialeinrichtungen oder dem AMS. Der Kulturpass muss jedes Jahr verlängert werden, auch um Missbrauch vorzubeugen. Das sei schon vorgekommen, allerdings in geringem Ausmaß sagt Monika Wagner.

Dennoch kommt es immer wieder zu Problemen: "Wenn dann zum Beispiel eine Mindest-Pensionistin und Kulturpass-Besitzerin gutgekleidet ins Theater kommt, dann ist halt nicht offensichtlich sichtbar, dass sie nur 744 Euro im Monat bekommt. Es wird dann halt schnell gefragt: Wieso hat so eine Person einen Kulturpass?"

"Kulturtransfair" für bildungsferne Schichten

Ein weiteres Problem: Bildungsferne Schichten, lockt auch der Kulturpass nicht ins Museum oder ins Theater. Deshalb hat man das Projekt "Kulturtransfair" gestartet, wo man gezielt Sozialeinrichtungen mit Kulturinstitutionen zusammenbringt. So hat etwa das Architekturzentrum Wien mit jugendlichen Arbeitslosen zum Thema Lebensräume gearbeitet, oder ein Verein, der mit Suchtkranken arbeitet, ein halbes Jahr lang regelmäßig das MUMOK besucht.

Es gibt Institutionen, die man gerne dabei hätte, wie zum Beispiel das Burgtheater oder die Volksoper aber auch das Konzerthaus, das Theater in der Josefstadt und das Belvedere. Denn gerade die Museen erfreuen sich bei den Kulturpassbesitzern besonders beliebt.

Rezensionen im "Augustin"

Seit diesem Jahr gibt es in der Straßenzeitung "Augustin" übrigens Rezensionen von Kulturpassbesitzern: "Sowohl darüber, was sie gesehen haben, aber auch ihre Erfahrungen - also wie es ihnen mit dem Kulturpass gegangen ist." Ziel ist es, andere Kulturpassbesitzer/innen zu motivieren.

Gerade zu Weihnachten kommt dem Kulturpass eine besondere Bedeutung zu. Denn viele sind gerade in dieser Zeit sehr einsam. Ein Kino-Theater- oder Ausstellungsbesuch kann da eine Erleichterung sein, meint Martin Schenk von der Armutskonferenz. Die positive Wirkung der Aktion Hunger auf Kunst und Kultur hat eine Kulturpassinhaberin auf den Punkt gebracht - und zwar mit den Worten: "Dank Hunger auf Kunst und Kultur sind mein Kopf und mein Ich am Leben geblieben".

Textfassung: Rainer Elstner