Das Licht weiß, wenn wir hinschauen
Lichtkünstler James Turrell
Einer der bedeutendsten Künstler der Gegenwart ist der US-Amerikaner James Turrell: Er macht das Licht zum Thema seiner Kunst. Er verwandelt durchflutet Museumsräume mit Licht, schafft Skyspaces, Lichtobservatorien, bei denen man durch ein Loch in der Decke das Spiel der Wolken und der Sonnenstrahlen mit neuen Augen sehen kann.
8. April 2017, 21:58
Kulturjournal, 27.12.2010
Diese Skyspaces, wie er auch 2006 einen in Salzburg am Mönchsberg errichtete, sind kleinere Ausgaben des monumentalen Land Art Projektes, das Turrell seit den 1970er Jahren in einem erloschenen Vulkan in der Wüste Arizonas betreibt. In zahllosen Tunneln und Schächten untersucht er dort mit Hilfe von Spiegelreflexionen das Licht.
Langes Haar und Rauschebart
James Turrell sieht ein bisschen aus wie ein weißhaariger Rübezahl: groß und kräftig, mit dichtem langem Haar und Rauschebart. Ein imposanter 67-jähriger Mann, der sein Leben etwas so flüchtigem wie dem Licht verschrieben hat. Er sagt: Jahrhundertelang habe sich die Kunst damit befasst, wie die Gegenstände - von Äpfeln über Vasen bis hin zum Menschen - im wechselnden Licht erscheinen. Er mache nun das Licht selbst zum Thema.
Und so überflutete er etwa in Wolfsburg einen völlig leeren Museumsraum von 700 Quadratmetern und zwölf Metern Höhe mit sich langsam veränderndem Farblicht. Das Licht offenbarte sich selbst und tauchte die Besucher in eine geheimnisvolle, malerische Welt aus reinem Licht. Turrell nennt diese Erfahrung "mit den Augen fühlen." Wenn man mit den Augen fühle, und die Augen sinnbildlich geschlossen habe, hätte man eine Vision, wie in einem luziden Traum. Das sei es, was er als physische Raumerfahrung vermitteln wolle.
Unbewusste Sinneswahrnehmung
Turrell, der als Sohn einer Quäkerfamilie in streng religiösen Verhältnissen in Los Angeles aufwuchs, sagt, wir kämen auf diese Welt mit Erinnerungsstücken früherer Leben und hätten in unseren Träumen eine umfangreiches Repertoire an Räumen, die wir bewohnen. Diese in die bewusste Welt herauszubringen, sei das, was Kunst tut - bewusst oder unbewusst, sagt Turrell.
Die unbewusste Sinneswahrnehmung sei bedeutender, als die meisten Menschen glauben. So könnten blinde Menschen mit ihren inneren Bildern erstaunliche Gemälde malen oder Skulpturen schaffen, auch Beethoven habe ja komponiert, als er schon taub war. Daher müsse die Menschheit das Licht wie Gold schätzen, nicht nur, weil es eine wichtige Nahrung für uns sei und wir ohne Vitamin D nicht leben könnten. Außerdem würden wir an Depressionen leiden.
Das Licht weiß, wenn wir hinschauen
Seine Kunst sei reine Physik, erklärt James Turrell, nur dass sie Dinge sichtbar mache, die man sonst nicht sieht. Und so hat er sich in seinen Versuchsanordnungen auch mit der Quantentheorie und mit der Heisenberg'schen Partikeltheorie auseinandergesetzt. Turrell sagt, es gebe Experimente, dass das Licht weiß, wenn wir hinschauen. Das heißt, dass Licht und Bewusstsein eng zusammenhängen. Und - ja - das klinge wie ein religiöser Glaubenssatz.
Seit den 1970er Jahren, als er sich Roden Crater, einen erloschenen Vulkan in der Wüste von Arizonas kaufte, beforscht Turrell das Licht. In diesem Vulkan, den er in ein Bergwerk verwandelt hat, in dem er gebohrt, gebaggert und Schächte ausgehoben hat, südlich vom Grand Canyon, beobachtet er den Lauf der Sterne.
Wenn sich Sonne und Mond treffen
Hier lässt sich die kosmische Verlässlichkeit erfahren: an bestimmten Tagen jedenfalls, wenn jene von Turrell vorausberechneten Konstellationen eintreffen und zum Beispiel die untergehende Sonne in den einen Schacht hineinleuchtet und der aufgehende Mond in den anderen Schacht. Beider Licht lenkt er tief in den Berg hinein und vereint sie auf einer mächtigen Marmorwand. Das kommt alle 18,61 Jahre vor - für jeweils zwei, drei Minuten.
Die Wüste ist ideal für diese Experimente, denn es gibt kaum Lichtquellen in der Umgebung, keine Lichtverschmutzung also. Denn Menschen lieben es, die Nacht zu beleuchten, bedauert Turrell, um die Sterne nicht zu sehen. Mit den Sternen versuchen sie die Existenz des Universums auszublenden, das sie in seiner Unendlichkeit beängstigend finden.
Museum in den Anden
Fast 20 Millionen US-Dollar hat James Turrell bereits in seinen Krater investiert. In den Anfängen hat er das Geld durch Fliegen verdient, inzwischen habe sich das ein bisschen umgedreht und er könne mit seiner Kunst das Fliegen mitfinanzieren.
Die Menschen in aller Welt lieben James Turrell. Die einen suchen in seinen physikalischen Versuchen die Präsenz Gottes, die anderen genießen seine Lichtinstallationen als eine Art psychedelischer Drogenerfahrung. Im Vorjahr hat der Schweizer Kunstsammler Donald Hess, der mit Bierbrauen und Mineralwasser sein Vermögen machte, sogar für mehrere Millionen Euro ein eigenes Museum für James Turrell bauen lassen. Ein gut verstecktes Museum: Es liegt in Nordwesten Argentiniens, in den Anden und ist ausschließlich den Lichtspielen von James Turrell gewidmet.