Bachmann-Texte werden publiziert

Die Radiofamilie

Ingeborg Bachmann fungierte in der Anfangszeit der Hörspiel-Serie "Die Radiofamilie" als Co-Autorin. Lange galten ihre Skripte als verloren, doch nun hat sie der US-amerikanische Historiker und Germanist Joseph McVeigh wissenschaftlich aufgearbeitet. Im Frühjahr werden die Texte im Suhrkamp-Verlag erstmals publiziert.

Kultur aktuell, 28.12.2010

Jede Woche hörte das österreichische Radiopublikum eine Episode aus dem Leben der Florianis, einer gutbürgerlichen, typisch österreichischen Modellfamilie. Der Vater ein Oberlandesgerichtsrat, ehrenhaft und gutmütig, der von seinen rotzfrechen Kindern um den Finger gewickelt wird, die Mutter eine Generalstochter, und Onkel Guido ein ehemaliger unbedeutender Nazi, der wie so viele andere auf Hitler hereingefallen ist.

Leicht und humoristisch wurden Themen wie die NS-Vergangenheit, der Kalte Krieg oder der beginnende Wiederaufbau angeschnitten. Mit Erfolg: Die neuartige Serie war über Jahre äußerst beliebt.

Erzieherische Komponente

"Die Radiofamilie" hatte eine durchaus erzieherische Komponente. Nach dem Zweiten Weltkrieg starteten die US-Besatzer in Mitteleuropa eine Art "psychologische Offensive". Mit dem Beginn des Kalten Krieges suchte man Wege, der europäischen Bevölkerung die Demokratie und die politischen Ziele der USA schmackhaft zu machen. Freilich ging es auch darum, der Sowjetpropaganda etwas entgegenzusetzen, erklärt Joseph McVeigh, Historiker und Germanist am Smith College in Massachusetts.

In diesen Unterhaltungssendungen mit der kaum merkbaren Propaganda-Komponente suchten die Programmgestalter Mitwirkende aus Österreich, und auf diesem Weg kam auch die junge Ingeborg Bachmann zum Sender Rot-Weiß-Rot. Zwei Jahre lang gestaltete sie das Unterhaltungsprogramm des in Wien stationierten Senders wesentlich mit und war neben Peter Weiser und Jörg Mauthe Autorin der ersten Episoden der Radiofamilie. Eine Phase in der Karriere der Schriftstellerin, die in der Bachmann-Forschung stets zu kurz komme, sagt Joseph McVeigh.

Begehrte Arbeitsstelle

Elf Episoden der "Radiofamilie" verfasste Ingeborg Bachmann, bei vier weiteren ist sie als Co-Autorin angeführt. Eine begehrte Stelle, um den sich viele Kollegen aus Bachmanns Umfeld bewarben. Später distanzierte sich die Schriftstellerin in Briefen - und indirekt auch in ihrer Literatur - von ihrer Zeit als Autorin im Dienste der US-Besatzungsmacht.

Im Frühjahr erscheinen die Manuskripte nun gesammelt bei Suhrkamp. Als nächstes will sich Joseph McVeigh auch den übrigen Arbeiten der Schriftstellerin in ihren Wiener Jahren widmen, ehe sie 1953 die Stadt verließ.