Noch immer DIskriminierung
Ein Jahr "Homo-Ehe": Gemischte Bilanz
Seit 1. Jänner 2010 können in Österreich homosexuelle Paare eine eingetragene Partnerschaft eingehen. Im Prinzip ist das ein ehe-ähnlicher juristischer Pakt, manche sprechen von einer "Ehe light". Betroffene sind zwar froh, dass es das Gesetz nun gibt, zufrieden sind sie damit aber nicht.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 28.12.2010
Keine völlige Gleichstellung
In Österreich ist es eine "Ehe light", andere sind weiter gegangen: Fünf europäische Länder haben die Zivilehe für homosexuelle Paare geöffnet, nämlich die Niederlande, Spanien, Belgien, Portugal und Schweden. In den meisten anderen Ländern gelten Regelungen für gleichgeschlechtliche Partnerschaften mit unterschiedlichen Rechten und Pflichten, aber ohne vollständige Gleichstellung mit der heterosexuellen Ehe.
Rechte und Pflichten
In Österreich dürfen homosexuelle Paare weiterhin nicht heiraten, aber sie können ihre Partnerschaft bei den Bezirkshauptmannschaften beziehungsweise Magistraten eintragen lassen. Eine Heiratszeremonie am Standesamt scheiterte am Widerstand der ÖVP. Diese eingetragene Partnerschaft umfasst sowohl Rechte, etwa pensionsrechtliche Ansprüche, als auch Pflichten, wie Beistands- oder Unterhaltspflicht.
Adoptions- und Namensrecht
Verwehrt bleibt Homosexuellen die Adoption eines Kindes. Auch ein Kind, das die Partnerin beziehungsweise der Partner aus einer früheren heterosexuellen Beziehung mitbringt, darf nicht adoptiert werden. Lesbischen Frauen ist die künstliche Befruchtung untersagt. Unterschiede gibt es auch im Namensrecht. Homosexuelle Partner haben in offiziellen Dokumenten keinen "Familiennamen" mehr, sondern einen "Nachnamen".
Noch immer Diskriminierung
Johannes Wahala, Psychotherapeut und Leiter von "Courage", einer Beratungsstelle für gleichgeschlechtliche und Transgender-Menschen, geht das Gesetz nicht weit genug. Es sei ein Symbol dafür, "dass heterosexuelle Paare doch noch eine höhere Wertigkeit haben als homosexuelle". Der Staat sei keine Glaubensgemeinschaft, sondern habe menschenwürdige Rechte zu verankern, so Wahala. Er ortet Bereiche, in denen Homosexuelle weiterhin diskriminiert werden.
"Der Staat ist keine Glaubensgemeinschaft"
Johannes Wahala, Psychotherapeut und Leiter von "Courage", im Ö1-Morgenjournal-Gespräch mit
"Zwangs-Outing" durch Namensrecht
Wahala kritisiert vor allem das Namens- und das Adoptionsrecht. Das trage eine "eindeutig homophobe, das heißt anti-homosexuelle Handschrift". Aufgrund der Bezeichnung "Nachname" statt "Familienname" in den Dokumenten würden homosexuelle Paare "zwangs-geoutet", sagt Wahala, wie etwa "der Herr Professor im Spital oder der Rechtsanwalt in seiner Kanzlei". Und was die Adoption betrifft, sei wissenschaftlich belegt, dass Kinder auch in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften "genauso gesund oder nicht gesund aufwachsen wie in heterosexuellen Partnerschaften". Ebenso unverständlich findet es Wahala, warum homosexuellen Frauen die künstliche Befruchtung nicht offenstehen soll.
599 Paare
Von Jänner bis inklusive September haben sich in Österreich 599 homosexuelle Paare trauen lassen, aktuellere Zahlen liegen bei der Statistik Austria nicht vor. Die meisten Partnerschaften, ungefähr die Hälfte, wurden in Wien geschlossen. Zwei Drittel der Paare sind männlich.