Im Ferienort des Komponisten

Gustav Mahler Musikwochen in Toblach

Am 18. Mai 1911 verstarb Gustav Mahler. Während seiner Zeit als Wiener Hofoperndirektor und später als Leiter der New Yorker Met suchte Mahler immer wieder Ruhe in abgelegenen Feriendomizilen, wo er einen Großteil seiner Werke komponierte. In der Südtiroler Gemeinde Toblach verbrachte Mahler zwischen 1908 und 1910 die Sommermonate und seit 1981 finden hier jährlich die Gustav Mahler Musikwochen statt.

Kulturjournal, 05.01.2011

Eigentlich wäre schon "Das Lied von der Erde" Mahlers 9. Sinfonie gewesen. Doch der abergläubische Komponist, bei dem kurz zuvor eine Herzkrankheit diagnostiziert worden war, wollte aus Angst, dass die Neunte wie bei seinen Vorbildern Beethoven und Bruckner seine Letzte sein könnte, den Titel "Sinfonie" vermeiden. Entstanden ist das Werk, wie später auch die 9. und die unvollendete 10. Sinfonie, großteils in Toblach.

Die Gemeinde in den Südtiroler Dolomiten war damals ein beliebter Luftkurort. Doch anders als heute, waren Touristen damals noch eher ungebetene Gäste und die Dorfbevölkerung begegnete dem Künstler am Land mit Argwohn, wie Hansjörg Viertler, Präsident des Toblacher Mahler-Komitees erzählt.

Ein eigenes Komponierhäuschen

Mahler residierte damals im Trenkerhof in Altschluderbach, einem abgelegenen Weiler am Waldrand. Doch selbst hier war es dem Komponisten zu laut, wie ein Brief an seine Frau Alma dokumentiert: "Das Haus und der Platz ist zu wonnig - bis auf den Lärm, der mich ohne Unterlass geniert. Entweder flüstern die Bauern, dass die Fenster klirren oder sie gehen auf den Fußspitzen, dass das Haus wackelt."

Und so ließ sich der Komponist ein eigenes Komponierhäuschen bauen, das heute zwar noch erhalten ist, aber inzwischen vom Gustav-Mahler-Tierpark umgeben ist. Daneben erinnert eine Bronzestatue auf dem Dorfplatz an den Komponisten, es gibt eine Gustav-Mahler-Straße, und nicht zuletzt finden in der 3.000-Einwohner-Gemeinde seit 1981 jährlich auch die Gustav Mahler Musikwochen statt, ein Musikfestival mit Mahlerschwerpunkt, das gemessen am kulturellen Einzugsgebiet ein reichhaltiges Programm bietet.

So gastieren im heurigen Jubiläumsjahr etwa die Bochumer Symphoniker, die Junge Philharmonie Wien und das Israel Chamber Orchestra in Toblach. Dabei musste sich der künstlerische Anspruch des Festivals über die Jahre erst in den Vordergrund spielen, denn seine Entstehung war ursprünglich mit Nächtigungszahlen verbunden, so Viertler.

Kultureller Nahversorger

Der kulturtouristische Ansatz ist heute zweitrangig und das Festival längst über regionale Grenzen hinaus etabliert - eine Tatsache, die den künstlerischen Leiter Josef Lanz in den letzten Jahren auch motiviert hat, die Musikwochen inhaltlich wie auch von den Spielorten her breiter anzulegen. So finden sich heuer neben Mahler unter anderem auch Werke von Charles Ives, Franz Schubert und Richard Wagner im Programm. Man verstehe sich inzwischen als kultureller Nahversorger, so Lanz.

Daneben gibt es einen eigenen Schallplattenpreis, und zahlreiche Diskussionen und Vorträge widmen sich im Rahmen der Mahler-Gespräche und des Mahler Protokolls dem Komponisten. Fanden in den ersten Jahren des Festivals die Konzerte noch in einer Turnhalle oder im Probelokal der örtlichen Musikkapelle statt, so hat man mit dem Gustav-Mahler-Konzertsaal seit 1999 auch eine eindrucksvolle Hauptspielstätte mit 460 Sitzplätzen.

Keine Polemiken mehr

Hier fanden 2010 auch erstmals die Südtiroler Festspiele unter der Leitung von Gustav Kuhn statt. Von den Polemiken, die es damals zwischen den beiden Festivals wegen Finanzierung, Standort und Programmierung gab, will man heute nichts mehr wissen. Der Gustav-Mahler-Saal im Grand Hotel, einem ehemaligen Kurhotel aus dem 19. Jahrhundert, wird ob seiner Akustik vermehrt auch für Konzertaufnahmen genutzt.

Gustav Mahler hat in Toblach seine Spuren hinterlassen, und die Gemeinde hat es über die Jahre geschafft, seinen wohl berühmtesten Sommergast nicht nur touristisch, sondern inzwischen auch kulturell auf durchaus eindrucksvolle Art und Weise in Szene zu setzen.

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