Nach Treffen mit Barroso in Budapest
Orban erwägt Änderung von Mediengesetz
Im Medienstreit mit Ungarn könnte sich eine Lösung anbahnen. Regierungschef Victor Orban hat beim Treffen mit EU-Kommissions-Präsident Manuel Barroso nicht mehr ausgeschlossen, das umstrittene neue Mediengesetz falls nötig zu ändern. Das Gesetz hatte den Beginn der ungarischen EU-Ratspräsidentschaft massiv überschattet.
8. April 2017, 21:58
Abendjournal, 07.01.2011
Änderungen möglich
Nach massiver internationaler Kritik hat der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban Änderungen an dem umstrittenen Mediengesetz in Aussicht gestellt, falls die EU-Kommission den Rechtsakt beanstandet. "Wenn das Rechtsurteil der Europäischen Union herausfindet, dass wir zu viel Machtkonzentration in Vergleich mit anderen EU-Staaten haben, werden wir Änderungen erwägen und einführen", sagte der konservative Politiker bei einer Pressekonferenz mit EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso zum Auftakt am Freitag in Budapest.
"Wir werden die Umsetzung dieses Gesetzes genau beobachten. Wenn wir sehen, dass irgendeine Kritik, die geäußert wurde, sich bewahrheitet, sind wird bereit, das zu reparieren. Wir für unseren Teil sind bereit, alles zu tun, um sicherzustellen, dass dieser Streit um das Mediengesetz nicht unsere ungarische EU-Präsidentschaft behindert. Das ist eine europäische Angelegenheit", versicherte Orban, der bis vor kurzem jegliche Änderung an dem Gesetz noch ausgeschlossen hatte.
Zuversichtlicher Blick nach Brüssel
Zuvor hatte Staatspräsident Pal Schmitt vor Journalisten dafür geworben, die praktische Anwendung des Gesetzes abzuwarten, spätere Änderungen aber nicht ausgeschlossen. Am Donnerstag hatte Orban erklärt, das ungarische Mediengesetz werde nur geändert, wenn auch ähnliche Bestimmungen in den Mediengesetzen anderer EU-Staaten fallen.
Orban fügte nunmehr hinzu, er sei sich sicher, dass die EU-Kommission das ungarische Mediengesetz nicht beanstanden werde, "weil das nicht der Situation entspricht". Ungarn könne in dieser Frage keine diskriminierende Behandlung im Vergleich zu anderen EU-Staaten akzeptieren, nur weil die ungarische Demokratie jünger sei als in anderen Staaten. Er sei sich sicher, dass die EU-Kommission Ungarn nicht diskriminieren werde.
Barroso: Pressefreiheit heilig
Barroso - der wie Orban der Europäischen Volkspartei (EVP) angehört - begrüßte, dass der ungarische Premierminister bereit sei, Anpassungen des Gesetzes zu erwägen, für den Fall dass es bei der Umsetzung Probleme gebe und sich Bedenken als berechtigt herausstellen. "Ich habe Versicherungen des Premierministers erhalten, dass das verfasste Gesetz in voller Achtung europäischer Werte, der Medienfreiheit und der europäischen Gesetzgebung umgesetzt wird. Der Premierminister hat klar gemacht, dass Anpassungen vorgenommen werden, wenn die EU-Kommission nach einer rechtlichen Prüfung herausfindet, dass dies nicht der Fall ist für alle Aspekte des Gesetzes." Er habe volles Vertrauen in die ungarische Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, sagte Barroso.
Barroso warnte Orban, er müsse neben rechtlichen auch politische Aspekte der Kontroverse mitbedenken. So brauche Ungarn die volle Unterstützung der EU-Staaten für seine Ratspräsidentschaft. Die Pressefreiheit sei "ein heiliges Prinzip der Europäischen Union" und Medienpluralismus sei ein "grundlegendes Prinzip" der europäischen Gesellschaften.
Barroso forderte Orban auf, der Kommission die Fassung des Gesetzes offiziell zukommen zu lassen, damit die EU-Behörde das Mediengesetz prüfen könne. Erst am gestrigen Donnerstag habe die EU-Kommission eine Übersetzung bekommen, "der wir voll vertrauen". Barroso verwies auf das Schreiben der für audiovisuelle Medien zuständigen EU-Kommissarin Neelie Kroes, in dem diese "Zweifel" an der Unabhängigkeit der ungarischen Medienbehörde und ihrer Besetzung geäußert hatte. Die EU-Kommission prüft das ungarische Mediengesetz lediglich in Hinblick auf die Umsetzung der EU-Richtlinie für audiovisuelle Medien, nicht bezüglich der Grundrechtecharta, die Medienfreiheit vorschreibt.
Berlin und Paris machen Druck
Orban, der bereits vor der Vorsitzübernahme von Belgien einen "schlechten Start" der ungarischen EU-Präsidentschaft eingeräumt hatte, betonte es sei eine Voraussetzung für den EU-Vorsitz, dass die Debatte um das Mediengesetz das nächste Halbjahr nicht überschatte. Ungarn sei Ziel "beträchtlicher Angriffe" wegen des Mediengesetzes. "Ich glaube die erste Salve ist vorbei, die zweite Phase startet jetzt, wo die Übersetzung des Mediengesetzes jedermann zugänglich ist." Die Reaktionen seien sehr emotional.
Unter anderem hatten die deutsche und französische Regierung Änderungen an dem Gesetz verlangt. Der deutsche Regierungssprecher Steffen Seibert sprach am Freitag von "problematischen Gesetzesregelungen". Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn bekräftigte seine Forderung nach einem raschen Eingreifen der EU-Kommission. Auch der Vizepräsident der Sozialdemokraten im Europaparlament, Hannes Swoboda, erneuerte seine Kritik. ÖGB-Präsident Erich Foglar nannte das ungarische "Zensurgesetz" "demokratiepolitisch bedenklich".
Die von Fidesz kontrollierte Medienbehörde NMHH kann seit Jahresbeginn Medien, deren Berichte als "nicht politisch ausgewogen" erachtet werden, mit hohen Geldstrafen belegen. Auch müssen Journalisten dem Gesetz zufolge ihre Quellen offenlegen, wenn es um Fragen der nationalen Sicherheit geht. Das Internationale Presse-Institut (IPI) berichtete am Freitag von einem ersten Fall, in dem die Medienbehörde gegen einen privaten Radiosender vorgehe. Dem Sender Tilos wird vorgeworfen, Lieder des US-Rappers Ice-T mit nicht jugendfreiem Inhalt im Nachmittagsprogramm abgespielt zu haben, was das neue Gesetz verbietet. (Text: APA, Red.)
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