Ungarns umstrittenes Mediengesetz

Die Arbeit der neuen Medienbehörde

Ungarn hat es zu Beginn seiner EU-Präsidentschaft tatsächlich ordentlich krachen lassen: das Mediengesetz, das knapp vor Weihnachten verabschiedet worden ist, wird von der EU-Kommission heftig kritisiert. Bereits jetzt gibt es für Journalisten erste Auswirkungen des Gesetzes. Regierungschef Orban hat bei der feierlichen Übergabe der Europäischen Unionsfahne gestern Abend nicht zurückgeschreckt, dieses Gesetz zu verteidigen.

Sein Argument allerdings, dass sich kein Passus im ungarischen Mediengesetz findet, der nicht auch in anderen Staaten der Union verankert sei, hält der Überprüfung nicht stand. Der Leipziger Europarechtler Markus Kotzur weist den Vergleich mit den deutschen Gesetzen entschieden zurück. Denn während in Deutschland Tatsachenbehauptungen eben den Tatsachen entsprechen müssen, kontrolliert das ungarische Gesetz auch, ob in Medien geäußerte Meinungen deckungsgleich mit der Regierungsmeinung sind. In den ungarischen Kontrollgremien fehle die pluralistische Zusammensetzung, kritsiert Kotzur. Denn die rechtsnationale Regierungspartei Fidesz dominiert die neue Medienbehörde.

Mittagsjournal, 07.01.2011

Alles soll kontrolliert werden

Grundsätzlich gilt alles soll kontrolliert werden:
Radio, Fernsehen, Presse und sogar Webseiten , Internetportale und Blogs. Die Aufsicht führt eine neue Behörde. Ihre Mitglieder gehören ausschließlich der rechtsgerichteten Fidesz-Partei von Ministerpräsident Viktor Orban an . Die Präsidentin der neuen Behörde, Annamária Szalai wurde von Orban persönlich ernannt und zwar gleich für neun Jahre. Szalai verfügt über enorme Vollmachten. Sie darf Verordnungen und Vorschriften erlassen, ohne parlamentarische Kontrolle.

Drastische Strafen bei Verstößen

Bei Verstößen gegen das Mediengesetz drohen drakonische Strafen. Bei Print- und Onlinemedien können es umgerechnet bis zu 90.000 Euro sein, bei Rundfunksendern bis zu 700.000 Euro. Wann ein Verstoß vorliegt, das entscheiden die Kontrolleure praktisch nach eigenem Gutdünken. Denn die entsprechenden Formulierungen im Gesetz können weit ausgelegt werden. Von allgemeinen Interessen und Sitten ist die Rede. Sie lassen viel Spielraum für Interpretationen.

Strukturen und Inhalte werden verändert

Auch wird sichergestellt, dass die Informationsendungen von der staatlichen Nachrichtenagentur produziert werden. Darüber hinaus müssen Journalisten künftig ihre Quellen offenlegen, wenn es um Fragen der nationalen Sicherheit geht. Aber die Regierung in Budapest verändert nicht nur die Inhalte, sondern auch die Strukturen der Medien. So wurde der öffentlich-rechtliche Rundfunk neuorganisiert, nach dem Motto: Alles unter einem Dach. Bislang getrennte Sendeanstalten werden zusammengelegt. Die Spitzenpositionen in der neugeschaffenen Dachgesellschaft fallen fast zur Gänze Fidesz-Leuten zu.

Mittagsjournal, 07.01.2011

Der ungarische Journalist Zsolt Bogar im Ö1 Interview mit

Erste Auswirkungen des Mediengesetzes

Das neue Mediengesetz hat bereits seine ersten Auswirkungen auf die Journalisten. In der Nacht vom 20. auf den 21. Dezember wurde dieses Mediengesetz in Budapest verabschiedet. Der öffentliche Radiosender Kossuth hat dann gleich in der Morgensendung zum Hören gebracht, was bei Zensur herauskommt. Eine Schweigeminute als Kommentar auf das Gesetz hatte zur Konsequenz, dass der Chef vom Dienst dieser Sendung vom Dienst suspendiert wurde.

"Journalisten werden aufpassen"

Der suspendierte Journalist Zsolt Bogar empfindet das neue Mediengesetz, als großes Problem für die Journalisten in Ungarn: "Das größte Problem mit dem neuen Mediengesetz habe ich damit, dass es ein zu großes Machtpotential der neuen Medienbehörde gibt. Was noch schlimmer ist, die Journalisten und Medienunternehmen werden mehr aufpassen, damit sie nicht gegen diese Gesetze verstoßen. Das hat zur Konsequenz, dass viele Journalisten die Zensur anwenden werden."

"Hoffe auf Änderung des Gesetzes"

Zsolt Bogar hofft auf eine Änderung des Gesetzes: "Ich glaube es ist ein schlechtes Gesetz und muss geändert werden. Der Druck von Seite der EU ist sehr groß und ich glaube, dass die EU einlenken wird. Wenn das nicht passieren wird, dann glaube ich wird der Verfassungshof einschreiten." Von seinen Kollegen bekommt Bogar geheime Unterstützung. Offen traut sich keiner ihn zu unterstützen, weil auch sie Ängste haben ihren Job zu verlieren, sagt Bogar.

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