Retrospektive im Wiener Filmmuseum

Japanischer Regisseur Ozu Yasujiro

Nach der großen Howard-Hawks-Retrospektive widmet sich das Wiener Filmmuseum ab heute einer weiteren zentralen Gestalt der Filmgeschichte: Der japanische Regisseur Ozu Yasujiro beeinflusste mit seinen sensiblen Familiendramen Filmschaffende wie Rainer Werner Fassbinder oder Wim Wenders.

Die Retrospektive des erhaltenen Gesamtwerks von Ozu Yasujirō ist das bisher aufwendigste Unterfangen des Österreichischen Filmmuseums und bietet die weltweit sehr rare Gelegenheit, Ozus Schaffen sehen und studieren zu können.

Kulturjournal, 07.01.2011

Hauptthema: Die Familie

Was die Wahrnehmung im Ausland betrifft, stand Ozu Yasujiro lange Zeit im Schatten seines Landsmanns Kurosawa Akira. Der bediente mit seinen wilden Samurai-Epen die Sehnsucht des Westens nach fernöstlicher Exotik. Ozu hingegen siedelte seine Filme alle in der Gegenwart an. Sein Thema war die japanische Familie und die Umwandlungen, die der Weltkrieg und die Amerikanisierung des Lebens mit sich brachten. In seiner Filmsprache bemühte er sich dabei um eine Klarheit, die ihn in die Nähe des Zen-Buddhismus brachte. Für den deutschen Wim Wenders gehört Ozu unweigerlich zu den zentralen Gestalten des Weltkinos:

"Für mich ist das Werk dieses Regisseurs ein bisschen so ein Heiligtum des Kinos", sagt Wenders. "Man denkt vor allem heutzutage oft, dass es die Amerikaner sind, die die universellen Filme machen. Für mich ist das aber, seitdem ich Ozus Filme kenne, nicht mehr der Fall. Für mich ist das die universalste Filmsprache überhaupt."

Nur 35 Filme erhalten

1903 geboren, gab Ozu mit nicht einmal 24 sein Debüt als Regisseur. Als er 1963, gerade einmal 60-jährig, an Krebs starb, hinterließ er nicht weniger als 54 Filme. Nur 35 davon sind erhalten geblieben, aus ihnen spricht aber ein ganz eigenständiger Stilwille. Seine Einstellungen sind unbewegt, klare Linien und rechte Winkel bestimmen den Bildaufbau. Die Kamera befindet sich dabei immer auf Höhe eines am Boden knieenden Menschen.

Charakteristisch für Ozu waren auch die sogenannten Pillow shots, wörtlich: Kopfkisseneinstellungen, von leeren Schauplätzen. Sie waren zwischen die Szenen geschnitten, um diese ein- und ausatmen zu lassen. Wim Wenders war außerdem beeindruckt, "von der Genauigkeit und der Präzision, mit der Ozu selbst jede Einzelheit im Bild und jede Bewegung des Schauspielers und jedes Wort korrigiert hat; vor allem, mit welcher Präzision er jeden Gegenstand hin- und hergerückt hat und wie die Gegenstände für ihn genauso wichtig waren wie die Sätze und wie die Menschen."

Einer der besten Filme der Kinogeschichte

Als Ozus bedeutendster Film gilt "Tokyo monogatari", die "Reise nach Tokio", aus dem Jahr 1953. In Umfragen unter anerkannten Regisseuren wird er regelmäßig als einer der besten Filme der Kinogeschichte gefeiert. Er habe nur den Untergang des japanischen Familiensystems porträtieren wollen, meinte der Regisseur einmal bescheiden zu seinem Film.

Überhaupt stand Ozu, der mit seinem Schaffen in Japan auch kommerziell überaus erfolgreich war, jegliches Künstlergehabe fern. Sein Handwerk verglich er deshalb auch gern mit dem eines Tofu-Herstellers.

Textfassung: Ruth Halle

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