Geld statt Gefängnis bei Cannabis-Konsum
Schweiz lockert Drogenstrafen
In der Schweiz beginnt ein Umdenken bei der Bestrafung von Drogenkonsum. Im Ostschweizer Kanton St. Gallen wird schon jetzt - wer beim Konsum von Cannabis erwischt wird - nicht härter bestraft als ein Falschparker oder Schwarzfahrer, mit einer Geldstrafe. Das Modell könnte jetzt auf die gesamte Schweiz ausgeweitet werden.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 08.01.2011
Modell bald in ganzer Schweiz?
Wer einmal beim Kiffen erwischt wird, soll nicht härter bestraft werden als ein Falschparker oder Schwarzfahrer. Das sagten sich die Behörden im Ostschweizer Kanton St. Gallen vor fünf Jahren. Kiffer kommen seither mit einer Geldstrafe davon und werden nicht mehr strafrechtlich verfolgt. Die Bilanz nach mehrjähriger Praxis fällt positiv aus und das Modell könnte nun in der ganzen Schweiz Schule machen.
Geldstrafe statt Gefängnis
Wenn die Stadtpolizei Sankt Gallen bei ihrer Patrouille auf Kiffer stößt, ist die Sache meist schnell erledigt. Ist der Betroffene volljährig, wird das erste Mal erwischt und hat nicht mehr als fünf Gramm Cannabis bei sich, wird er nicht angezeigt. Er bezahlt lediglich eine Geldstrafe von umgerechnet 40 Euro und bleibt damit auch anonym, erklärt Stadtpolizist Daniel Waldburger.
Der Kanton St. Gallen führte das Geldstrafen-Modell vor fünf Jahren ein, um bei Bagatell-Delikten Polizei und Justiz in ihrem Aufwand zu entlasten, sagt Thomas Hansjakob von der Staatsanwaltschaft St. Gallen.
Nicht mehr kriminalisiert
Auch Suchtexperten beurteilen den pragmatischen Umgang mit erwachsenen Kiffern als positiv. So würden sie nicht mehr unnötig kriminalisiert, meint der Leiter der Stiftung Suchthilfe St. Gallen, Jürg Niggli.
Ausdehnung überlegt
Nun könnte das St. Galler Modell auf die ganze Schweiz ausgedehnt werden. Im Parlament wird zurzeit eine Vorlage diskutiert, wonach Polizisten künftig schon 15-jährigen Kiffern nur eine Geldstrafe statt einer Anzeige aufbrummen können. So müssten jugendliche Kiffer nicht befürchten, durch die strafrechtliche Verfolgung gleich den Job zu verlieren, sagt Präventionsmediziner Felix Gutzwiller von der Freisinnig-Demokratischen Partei.
Kritik von Drogenfachleuten
Doch der Vorschlag, dass auch Jugendliche künftig nicht mehr angezeigt werden sollen, wenn sie Cannabis konsumieren, stößt bei vielen Drogenfachleuten auf Kritik. Suchtexperte Michael Schaub von der Universität Zürich meint, dass suchtgefährdete Jugendliche so nicht mehr erfasst würden.
Die Geldstrafen-Regelung für Kiffer dürfte noch für viele Diskussionen sorgen. Wenn sie im Schweizer Parlament eine Mehrheit findet, könnte sie in zwei Jahren eingeführt werden.