Retrospektive im Filmarchiv

Kreisky und das Kino

Dem 100. Geburtstag von Bruno Kreisky am 22. Jänner widmet sich das Filmarchiv Austria gleich auf zweifache Weise. Eine fünfteilige DVD-Edition bringt einen Überblick über Kreiskys Jahre als Parteivorsitzender der SPÖ und als Bundeskanzler. Außerdem stellt die Retrospektive "Kreisky/Kino" das neu erwachende Filmschaffen während der Kreisky-Ära vor.

Kultur aktuell, 12.01.2011

Mit den Medien spielte Bruno Kreisky wie kein anderer in der österreichischen Politlandschaft. Während seiner 13-jährigen Amtszeit - von 1970 bis 1983 - beeindruckte er aber nicht nur durch seine charismatischen Auftritte, sondern setzte auch einschneidende Veränderungen durch, vor allem im Bereich der derzeit heftig diskutierten Bildungspolitik.

Dazu die Historikerin Karin Moser, die im Filmarchiv gemeinsam mit Peter Huemer für die Herausgabe der DVD-Edition verantwortlich zeichnet: "Man hat ja eine ganze Reihe an Maßnahmen gesetzt – so wurde das Gratis-Schulbuch eingeführt, die Schülerfreifahrt und Schülerbeihilfen wurden erhöht. Man hat auch die Aufnahmeprüfung in die AHS abgeschafft und man hat 1972 auch die Studiengebühren abgeschafft." Es gab also eine Reihe von Maßnahmen, die den Zugang zu höheren Schulen auch für Kinder aus Arbeiterfamilien ermöglichten und erleichterten, so Moser weiter.

"Radikalität" der Kultur gefördert

Auch wenn Kreisky selbst aus dem gutbürgerlichen Milieu stammte, war sein Kulturbegriff weit gefasst. Für die Künstler bedeutete das neue Handlungsfreiräume.

"Kreisky hat einmal gemeint, es muss eine Radikalität in der Kultur geben", sagt Moser, "weil das der Grundstein für jede Form der Produktivität im künstlerischen Bereich ist, und er hat das durchaus auch ernst genommen. Das heißt: In seiner Zeit war es so, dass die Kultur einen neuen Stellenwert bekommen hat. Es wurde nicht nur die Hochkultur gefördert, sondern eben auch andere Projekte, provokative Projekte, mit denen er sicher nicht immer einverstanden war, aber er war der Meinung, dass man so etwas auch fördern muss" - eine Perspektivenverschiebung, die sich in der Retrospektive "Kreisky/Kino" gut beobachten lässt.

Skandal um "Staatsoperette"

Die Arbeiterschaft rückte jetzt ins Zentrum der Aufmerksamkeit und Themen wie Arbeitslosigkeit oder Kriminalität wurden verstärkt aufgegriffen. Ein neues Rundfunkgesetz sorgte 1974 außerdem dafür, dass diese Filme auch ein Massenpublikum fanden. "Im ORF war es ja so, dass hier erstmals auch Türen geöffnet wurden für eher provokative Arbeiten", erinnert sich Moser. "Ich denke hier etwa an die 'Staatsoperette', die sozusagen den Austrofaschismus etwas deftig-grotesk gezeigt hat." Eine Bombendrohung sollte damals die Ausstrahlung von Franz Novotnys "Staatsoperette" verhindern, im Anschluss gingen damals beim ORF 800 Protestanrufe ein. Die Zeitungen sprachen von Blasphemie und dem Untergang des Abendlandes.

Generell zeigt die Schau im Metro-Kino, wie das Filmschaffen freier, aber auch freizügiger wurde, eine Liberalisierung, die Bruno Kreisky auf gewohnt charmante Art verteidigte: ihm war Pornografie sympathischer als Gewalt, denn Pornografie diene ja dem Leben, sagt er einmal.

Die Präsentation der DVD-Edition und die Eröffnung der Retrospektive finden am 13. Jänner 2011 um 19:00 Uhr im Wiener Metro-Kino statt.

Textfassung: Ruth Halle

Service

Retrospektive "Kreisky/Kino", 13. Jänner bis 9. Februar 2011, Filmarchiv Austria,
Ö1 Club-Mitglieder bekommen im Metro-Kino ermäßigten Eintritt.

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