Begabter Blender oder begnadeter Kämpfer?

Lawrence von Arabien

Thomas Edward Lawrence, nicht zuletzt durch David Leans gleichnamigen Kinostreifen von 1962 als "Lawrence von Arabien" weltweit berühmt geworden, führte ein Leben zwischen Feuereifer und Zweifel, zwischen Krieg und Kultur. Eine neue Biografie untersucht den Mythos dieser Figur.

Kriegsjahre als Verbindungsmann

Bereits im Alter von 21 Jahren reiste der 1888 geborene Thomas Edward Lawrence zu Fuß durch Syrien und Palästina. Zwei Jahre später beteiligte sich der Oxford-Student für mehrere Jahre an Ausgrabungen in Karkemisch am oberen Euphrat. Lawrence begeisterte sich für die Sprache und Mentalität der Araber. Was lag also näher, als ihn bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges als englischen Verbindungsmann in diese Region zu schicken? Im Dezember 1914 wurde er dann auch dem britischen Nachrichtendienst in Kairo zugeteilt.

Das Osmanische Reich war an der Seite Deutschlands in den Krieg eingetreten. Angesichts dieser Entwicklung erhoffte sich die Londoner Regierung von den Revolten der Araber gegen die Türken eine militärische Entlastung im Vorderen Orient. Lawrence kam die Aufgabe zu, die Macht des Gegners so gut es ging zu unterminieren. Mit Hilfe der Araber sprengte er Brücken und überfiel er Züge. Und Lawrence zeigte dabei eine Freude am Töten, die uns heute befremdlich erscheint. So schreibt er:

Die ganze Geschichte dauerte zehn Minuten. Sie verloren 70 Tote, 30 Verwundete, 80 Gefangene. Als wir sodann den Zug plünderten, hätten uns die Türken beinahe den Rückzug abgeschnitten. Ich habe einiges Gepäck und um ein Haar das Leben eingebüßt. Meine Beute besteht aus einem superfeinen roten Belutschistan-Gebetsteppich. Hoffentlich klingt das so vergnüglich, wie es war.

Wahrheit und Dichtung

Wie bedeutend die Rolle von Lawrence im Krieg war und wie sehr ihm der arabische Unabhängigkeitskampf am Herzen lag, darüber streitet die Forschung nach wie vor. Folgt man den Angaben von Peter Thorau, dann war Lawrence nicht besonders wichtig. Für den Professor der Geschichte des Mittelalters und des Vorderen Orients ist Lawrence auch mehr Blender als begnadeter Kämpfer. Nie lässt sich bei ihm genau sagen, was Wahrheit und was Dichtung ist.

Da gibt es zum Beispiel eine Exkursion nach Damaskus. In 12 Tagen soll Lawrence nach eigenen Angaben mehr als 500 Kilometer durch feindliches Gebiet zurückgelegt haben. Einige Biografen meinen, dass der Engländer die Reise frei erfunden und sein Lager nie verlassen habe. Und selbst jene Lawrence-Experten, die nicht die Reise selbst in Zweifel ziehen, äußern Bedenken, was den Verlauf und die Ergebnisse betrifft.

Lawrence Husarenstück wirkte umso imposanter, als verkündet wurde, dass die Türken ein Kopfgeld von 5.000 Pfund auf ihn ausgesetzt hatten. Lawrence wurde für seinen Einsatz zum Ritter des Bath-Ordens ernannt und zum Major befördert. Peter Thorau hält diese Episode für wenig glaubwürdig.

Wieso sollten türkische Dienststellen auf einen britischen Offizier, der bislang militärisch noch kaum in Erscheinung getreten war, ein Kopfgeld aussetzen? Wie hätten sie überhaupt von Lawrence Kenntnis haben können? An den Sprengstoffanschlägen auf die Eisenbahnlinie im Hedschas und später in Syrien waren auch andere britische Offiziere, und meist sehr viel erfolgreichere, beteiligt.

Erfolgreiche Kriegspropaganda

Warum aber wurde dieser T. E. Lawrence, der es mit der Wahrheit nicht sehr genau nahm und auch keine besonderen militärischen Leistungen vollbrachte, zu solche einer berühmten Figur? Die Entstehung des Lawrence-Mythos war ursprünglich ein Teil der offiziellen Propaganda im Ersten Weltkrieg.

Um die amerikanische Öffentlichkeit für die Sache der Alliierten zu gewinnen, schickte das britische Kriegsministerium ein amerikanisches Presseteam zur arabischen Rebellenarmee. So lernte der Journalist Lowell Thomas Lawrence kennen und erkannte sofort dessen mediale Verwertbarkeit.

Wissenschaft versus Lyrik

Peter Thorau versucht mit seinem Buch, den Mythos "Lawrence von Arabien" zu entkleiden. Genau zeigt er, in welchem Maße sich der Engländer selbst inszeniert hat und wo die Dichtung die Wahrheit überlagert. Mitunter wirkt das aber ein wenig pingelig und leider gelingt es Thorau auch nicht, die reale Person fassbar zu machen. Was unter anderem auch daran liegt, dass sein Schreibstil alles andere als packend ist. Da wird trocken Schlacht um Schlacht aufgezählt, da wird darüber berichtet, welcher türkische Herrscher auf den nächsten folgte und welche geopolitischen Auswirkungen das hatte.

Man merkt: Hier schreibt ein Professor. Und so mutet dieses Buch dann über weite Strecken leider wie eine Vorlesung an.

Service

Peter Thorau, "Lawrence von Arabien. Ein Mann und seine Zeit", C. H. Beck Verlag

C. H. Beck - Lawrence von Arabien
Landesmuseum Natur und Mensch, Oldenburg - Lawrence von Arabien