Ernst-Jandl-Schwerpunkt

Laut, luise und jandl

Ernst Jandl (1925-2000) war ein Pop-Poet zu einer Zeit, als es diesen Begriff noch gar nicht gab. Seit seiner ersten Veröffentlichung 1952 in der Zeitschrift "Neue Wege" nahm die Karriere des gebürtigen Wieners einen steilen Aufstieg - nicht zuletzt dank seiner markanten Stimme. Spielräume - Nachtausgabe, Diagonal und die Ö1 Jazznacht beschäftigen sich mit dem Sprachspieler.

Das Öffnen und Schließen des Mundes hat Ernst Jandl seine Frankfurter Poetik-Vorlesungen von 1985 betitelt - ausnahmsweise mit Großbuchstaben, die Gedichtsammlungen sind kleingeschrieben: sprechblasen, dingfest, falamaleikum, bist eulen? Oder him hanflang war das wort. Das muss einem einmal einfallen und es kann nur einem einfallen, für den die "schöne kunst des schreibens und übersetzens" eine höchst musikalische Kunst des Tönens, des laut und leise Vortragens bedeutete.

Vielleicht wäre der musikalische Dichter und Vortragskünstler Ernst Jandl lieber Musiker als Schriftsteller geworden. Musik hat ihn zeitlebens fasziniert, viele seiner Gedichte sind jazzaffin, seine Lechts- und Rinksverwechslungen bleiben zeitlos frisch, und mancher Rapper sieht alt aus im Vergleich zu Jandls Stanzenfuriosos.

Wirkungsvoll als Vorleser

Öffentliche Lesungen waren für Ernst Jandl die beste Möglichkeit, sich wirkungsvoll als Autor durchzusetzen, denn Jandls Gedichte schreien geradezu danach, laut vorgetragen zu werden, und stets war er selbst sein bester Interpret. Gedruckt haben seine Gedichte große Ähnlichkeit mit Partituren.

Jandls zweite Karriere begann in den 1980er Jahren, als eine größer werdende Zahl von Musikern das musikalische Potenzial seiner Dichtung entdeckte und sich durch sein Werk herausgefordert sah, neue Wege zu gehen.

Kraft zur Veränderung

Auf die Frage, ob er stolz darauf sei, dass seine avantgardistische Literatur breite Anerkennung erfahren, er mit radikalen Versen einen Weg aus der Isolation und Nicht-Anerkennung gefunden habe, hat Jandl geantwortet: "Ich habe wenig Anlage, stolz zu sein, und ich habe wenig Grund, auf etwas stolz zu sein. Es liegt mir nicht, stolz zu sein. Aber vielleicht könnte man von einer gewissen Befriedigung darüber reden, dass künstlerische Erscheinungen, auf welchem Kunstgebiet auch immer, die vom reaktionären Publikum total missverstanden und abgewertet wurden, dass sie die Kraft hatten, das Publikum zu verändern."