Marine Le Pen übernimmt Frankreichs Rechtsextreme

Front National: Le Pen dankt ab

Auf einem außerordentlichen Parteitag in der westfranzösischen Stadt Tours geht ein Stück Geschichte der extremen Rechten Frankreichs zu Ende: der 82-jährige Jean Marie Le Pen , gibt nach fast vier Jahrzehnten den Parteivorsitz der von ihm gegründeten "Nationalen Front" ab - an seine jüngste, 42-jährige Tochter, Marine Le Pen - und auch sie zieht die Menschen an.

Mittagsjournal, 15.01.2011

Marine Le Pen zieht Menschen an

Marine le Pen dürfte den traditionellen politischen Parteien Frankreichs mindestens so viele Sorgen bereiten, wie ihr Vater dies ein Vierteljahrhundert getan hat. Fast anderthalb Jahre vor der Präsidentschaftswahl sagt man ihr, die angetreten ist, die Partei zu entdämonisieren und für breitere Wählerkreise zu öffnen , heute schon 14Prozent der Stimmen voraus. In Umfragen findet fast ein Drittel der Franzosen diese eher hemdsärmliche, rechtsradikale Politikerin, zweifach geschieden, Mutter von drei Kindern und von Beruf Rechtsanwältin , sympathisch. Jahre lang hatte es geheißen: Ohne Jean Marie Le Pen werde Frankreichs rechtsextreme Partei sang und klanglos eingehen.

Front National weiter wichtig

Davon kann inzwischen absolut nicht mehr die Rede sein. Der Politologe Jean Yves Camus, Spezialist der extremen Rechten: "Marine Le Pen wird eine Partei übernehmen, die Zukunft hat. Nicolas Sarkozy hat es 2007 vorübergehend geschafft, der Nationalen Front Stimmen zu entziehen, rund fünf Prozent. Das heißt aber noch lange nicht, dass diese Partei auf der politischen Bühne Frankreichs keine Rolle mehr spielt.


Diese Partei hat weiterhin Reserven: die wirtschaftliche und soziale Krise, das Misstrauen gegenüber den Eliten, all das sind Themen, für die die Franzosen sehr empfänglich sind. Wenn Marine Le Pen es schafft, dass die Partei professioneller wird, eine echte politische Maschine, dann wird die Nationale Front weiter eine Rolle spielen."

Neue Themen auf der Agenda

Antisemitismus und Verniedlichung des Nationalsozialismus sind für Marine Le Pen, im Gegensatz zu ihrem Vater, keine Themen. Sie setzt, wie Geert Wilders oder Oskar Freysinger zunehmend offener auf die Verteufelung des Islam, vor allem aber beackert sie seit mehreren Jahren sehr intensiv soziale Themen. Sie hat sich eine Wahlhochburg in einer wirtschaftlich danieder liegenden ehemaligen nordfranzösischen Industrieregion aufgebaut, wissend, dass die Nationale Front schon 2002 unter Arbeitern und Arbeitslosen die meisten Stimmen bekommen hatte.

Le Pen Ehrenpräsident

Ihr Vater, der ehemalige Fallschirmjäger, der während des Algerienkriegs auch selbst gefoltert hat und seit den ersten Erfolgen der Nationalen Front bei den Europawahlen 1984 ein ernstzunehmender Faktor in der französischen Politik war, wird sich heute zum Ehrenpräsidenten der Partei küren lassen und im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen 2012 mit Sicherheit nicht ganz von der Bildfläche verschwinden. "Ich werde eine Art Stabilisator sein. Ich stehe den gewählten Organen der Partei zur Verfügung, um sie zu beraten mit meiner Erfahrung, die ich in rund 40 Jahren gesammelt habe. "

Präsidentenwahlen 2012 im Fokus

Tochter Marine Le Pen hat den Blick jetzt schon ganz klar auf die Präsidentschaftswahlen 2012 gerichtet und gibt sich optimistisch: "Es gibt unbestreitbar bereits eine gewisse Dynamik für uns unter den Wählern . Und es gibt so viele Fakten, die uns recht geben: Immigration, innere Sicherheit, Euro , und die EU, die sich heute von der schlimmsten Seite zeigt und wahrscheinlich wird es im ersten Wahlgang insgesamt so viele Kandidaturen geben, dass es durchaus möglich ist, dass ich in die Stichwahl komme. "

Angst bei den Konservativen vor dem Front?

Präsident Sarkozys UMP Partei beginnt, Marine Le Pen ernst zu nehmen. Der neue Parteivorsitzende hat gerade eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, die sich ausschließlich mit dem Phänomen Marine Le Pen befasst. Erstmals seit über einem Jahrzehnt haben einige Abgeordnete der konservativen Regierungspartei UMP jetzt ein Tabu gebrochen und offen dafür plädiert, über eine Zusammenarbeit und über Allianzen mit der rechtsextremen Nationalen Front nachzudenken.