Premiere im 3raum-anatomietheater

Hubsi Kramars "Wiener Blut"

Die kurzweilige Posse "Wiener Blut" im Wiener 3raum-anatomietheater nach der Operette von Johann Strauß seziert die österreichische Gesellschaft.

Im Jahr 2015 feiert Österreich den ersten Jahrestag einer Freiheitlichen Regierung. Der Kunstbetrieb wurde von kritischen Tönen befreit, die Hochkultur steht ganz im Zeichen von Vergnügungsveranstaltungen. Um das auch zu garantieren, überprüft eine Theaterpolizei Aufführungen und entfernt alles Andersartige von der Bühne.

Mit dieser fiktiven Ausgangsposition bearbeiten Hubsi Kramar und sein Theater SHOWinisten in Zusammenarbeit mit daskunst Johann Strauß' "Wiener Blut" als "Oper-rette" in drei Akten und 21 Unterbrechungen, die sich Migrations- und Integrationsfragen auf eher unkonventionelle Weise nähert. Bei der Premiere im Wiener 3raum-anatomietheater gab es zu Recht frenetischen Applaus für das gesamte Team.

Jedem Ausländer sein Integrationspaket

"Wiener Blut" als Leitthema ist wörtlich zu nehmen und spielt natürlich auf den Wien-Wahlkampf im vergangenen Jahr an. Als Starthilfe bekommen "ausländische Schauspieler" - egal, ob sie nun in Österreich geboren worden sind oder nicht -, ein Integrationspaket, bestehend aus einem Kostüm, einem Textbuch und einer "Wiener Blut"-DVD. Während im Vordergrund die Proben zur Operette beginnen, thront an die Wand projiziert das wachsame Auge das Staates, das auch immer wieder energisch in die Szenen eingreift. Wird es zu multikulturell, ertönt sogleich "Aufhean mit dem Schas!"

Eine weitere Anzeige gibt darüber Aufschluss, ob die gebotene Theaterkost nun staatskonform ist oder nicht. Je nach Leistung wandert hier ein Zeiger von "Subvention" über "Arbeitslos" hin zu "Abschiebung". Angesichts dieser immer drohenden Gefahr fügen sich die Schauspieler wohl oder übel der lustvollen Verwechslungskomödie, allerdings erschweren Streitereien über die Rollenverteilung und andere Ablenkungen die Aufführung.

Aspekte der Integrationsdebatte

In knapp zwei Stunden entfaltet sich eine vielseitige Szenerie mit etlichen musikalischen Einlagen, die die Titel gebende Operette nur unzusammenhängend als Angelpunkt verwendet, um unterschiedlichste Aspekte der Integrationsdebatte durchzuspielen. Vordergründig wird dabei zwar meist mit althergebrachten Klischees gespielt, oft aber mit einem ernsten Unterton.

Kabarettistisch wird es in der ersten Hälfte des Abends, wenn alle Protagonisten eine TV-Talkrunde geben, die sich dem Thema "Blut" verschrieben hat. Als Gäste sind neben einem Vampir oder einer Genetikerin auch der Hepatitis C-Virus ("Ich mache keine Unterschiede, ich infiziere alle!") oder das "gemeine Wiener Blutkörperchen" anwesend, während der "Quotenmoslem" still am Rand sitzt.

Amüsante Posse zu ernstem Thema

So amüsant und kurzweilig sich das Stück mit Anspielungen auf die Populärkultur vom derzeit die Hitparaden stürmenden Soulsänger Aloe Blacc über Barack Obama bis zu "Grey's Anatomy" präsentiert, so ernst gerät gegen Ende eine Spoken-Word-Performance von Blair Darby. Während dieser kurz zuvor noch in einem Käfig mit der Überschrift "Völkerschau" einen Schuhplattler vorführt, gerät sein von düsteren Klängen begleiteter Vortrag zu einem der Höhepunkte des Abends. Szenenapplaus gab es allerdings nicht nur für diese Darbietung.

Insgesamt präsentiert sich "Wiener Blut oder Oper-rette sich wer kann" als kurzweilige und immer amüsante Posse zu einem mehr als ernstem Thema der heutigen Gesellschaft. Der Wechsel zwischen Auszügen der Operette, türkischen Liedern oder komödiantischen Einlagen und teils bedrückenden Szenen macht es aber nicht immer leicht, die Hintergründigkeit entsprechend zu dechiffrieren.

Das 18-köpfige Ensemble, bei dem auch Kramars Star Lucy McEvil wieder mit glanzvollen Momenten überzeugen konnte, spielte sich in einen Rausch, hatte sichtlich Lust an den unterschiedlichen Rollen und wurde dafür vom Publikum gefeiert.

Text: Christoph Griessner/APA

Service

"Wiener Blut oder Oper-rette sich wer kann" frei nach Johann Strauß und Adolf Müller, bis 3. März 2011, 3raum-anatomietheater,
Ö1 Club-Mitglieder bekommen ermäßigten Eintritt (zehn Prozent).

3raum Anatomietheater