Sprache als Voraussetzung

Zaimoglu zur Integrationsdebatte

In politischen Debatten sorgt der in Kiel lebende türkischstämmige Autor und Journalist Feridun Zaimoglu für Anstöße, insbesondere bei Integrationsthemen. Am Donnerstag, 27. Jänner 2011, diskutierte Zaimoglu unter dem Titel "Einwanderung ist eben auch eine Herzenssache" im Rahmen der Wiener Stadtgespräche mit Peter Huemer. Sprache, so Zaimoglu, sei Voraussetzung für Integration.

Mit dem Buch "Kanak Sprak" feierte Feridun Zaimoglu 1995 seinen Durchbruch als Autor. Hierzulande dürfte Zaimoglu vor allem wegen seiner Installation "Kanak Attack - Die dritte Türkenbelagerung" in Erinnerung sein, bei der er 2005 die Fassade der Wiener Kunsthalle mit türkischen Fahnen verhängte.

Am Freitag ist Zaimoglu im Rahmen einer Diskussion zum Thema "Das Verhältnis zwischen zeitgenössischer Kunst und Kultur und dem Islam" im Projectspace der Kunsthalle Wien am Karlsplatz zu Gast.

Kultur aktuell, 28.01.2011

Umgang mit türkischen Kindern verboten

"Ich bin ein entspannter, ein gut gelaunter Deutscher", sagt Feridun Zaimoglu. 1964 in der Türkei geboren, kam er im Alter von vier Jahren nach Deutschland, wo er als Kind türkischer Gastarbeiter in Berlin und München aufwuchs. Und seine Eltern wählten ein drastisches Mittel, das Zaimoglu und seine Schwester geradezu zwang, Deutsch zu lernen.

Sie verboten ihnen den Umgang mit anderen türkischen Kindern: "Sie haben genau hingeguckt und gesehen: Das allererste, was sie machen müssen, ist Deutsch zu lernen. Um unserer Zukunft Willen. Es klingt hart, aber ich bin dankbar dafür."

Sprache als Voraussetzung für Integration

Sprache, so Zaimoglu, sei Voraussetzung für Integration. Und hier fordert der Schriftsteller neben einem Ausbau der Angebote von Sprachkursen auch vermehrten Druck von Seiten der Politik. Wenn etwa Eltern kaum Deutsch sprechen, oder bei der Unterstützung ihrer Kinder zu nachlässig seien, so müsse es Möglichkeiten geben, einzugreifen: "Dann sollte man schon überlegen, dass man doch nicht zulassen darf, dass diese wunderbaren Kinder veröden, bloß weil die Eltern zu blöd sind, das zu durchschauen."

Das Thema Migration und Integration sieht Zaimoglu dabei vor allem als eine Frage von Unten und Oben. Dabei sei insbesondere seit 9/11 eine Ethnisierung sozialer Konflikte zu beobachten, die den Islam zum kollektiven Feindbild stilisiere: "Früher hieß es 'der Ausländer', jetzt war es plötzlich 'der Moslem'. Der 'Moslem' war plötzlich ein großes Moment der Instabilität."

Kritik an Feministinnen

Zaimoglu hat sich immer wieder auch sehr direkt in die Politik eingemischt. Unter anderem als Teilnehmer der Deutschen Islamkonferenz, wo er jedoch bald mit feministischen Islamkritikern aneckte, die Kritik am Kopftuch übten: "In den Medien tauchen die Bekopftuchten als geradezu Untote auf. Und die schärfste Kritik kommt ausgerechnet von Feministinnen. Man kann diese jungen Frauen nicht als willenlose Zombies denunzieren."

Zaimoglu räumte daraufhin seinen Platz in der Konferenz: "Ich war bestürzt und ich habe gesagt: Ich biete meinen Stuhl für eine junge, gläubige Frau und sie kann sich mal verteidigen."

Kanak Sprak

In seinen Werken setzte sich Zaimoglu immer wieder mit Menschen mit Migrationshintergrund auseinander, mit "Fremddeutschen", wie er sie nennt. Sein Roman "Leyla" etwa erzählt die Lebensgeschichte einer türkischen Einwandererin der ersten Generation und in "Kanak Sprak - 24 Mißtöne vom Rande der Gesellschaft" ließ er junge Deutsch Türken in ihrer eigenen Sprachfärbung von ihrem Leben in Deutschland erzählen.

Dass Kunst und Literatur in der Integrationsdebatte, wie sie derzeit geführt wird, eine Rolle spielen können, glaubt Zaimoglu aber nicht: "Kunst und Kultur lebt von Einzelpositionen und nicht vom Bekenntnis zum Kollektiv. Ich würde Kunst und Literatur und Kultur erst mal ausklammern, weil man bei der Frage der Integration eher versucht hat, allgemeine Aussagen zu treffen."

Dafür sei die Kunst nicht geeignet, bevor sich die Integrationsdebatte nicht weg von der Oberfläche hin zu den Menschen verlagere. Und davon, so Feridun Zaimoglu, sei man noch weit entfernt.

Textfassung: Rainer Elstner