Kritik an Schweizer Gesetz

Wo Diktatoren Gelder parken

In der Schweiz tritt ein Gesetz in Kraft, das es leichter machen soll, von Diktatoren geparkte Gelder den Ländern zurückzugeben. Doch trotz derartiger Initiativen werden die Geldsummen, die Diktatoren außer Landes schaffen, offenbar nicht kleiner. Experten kritisieren, dass die Politik nur halbherzig vorgeht.

Mittagsjournal, 01.02.2011

Strengere Regeln reichen nicht

Die Zeiten, als man mit einem Koffer voll Geld in eine Bank in der Züricher Bahnhofsstraße gehen und die Millionen auf einem Nummernkonto deponieren konnte, ohne nach seinem Namen gefragt zu werden, sind vorbei, sagt Daniel Thelesklaf, Leiter des Baseler Institute of Governance. Die Regeln für Banken sind strenger geworden - nicht nur in der Schweiz. Aber wie das Beispiel des gestürzten tunesischen Präsidenten Ben Ali zeige, seien auch die Diktatoren inzwischen geschickter, so Thelesklaf. Die Veranlagung laufe über Offshore-Gesellschaften und Stiftungen und ähnliches.

40 bis 1.200 Milliarden Euro

Und so schaffen Diktatoren auch weiterhin gestohlenes Geld in Länder, in denen sie es für sicher halten. Wie viel, weiß niemand genau. Die Weltbank schätzt die durch Korruption erwirtschaftete Summe weltweit auf jährlich 40 Milliarden Dollar, die US-Organisation Global Financial Integrity geht vom 20- bis 30-fachen Betrag aus. Weniger wird es nach Einschätzung von Experten trotz aller internationalen Bemühungen jedenfalls nicht.

Vorwäsche und Wäsche

Wie die Wege, die das Geld nimmt, sind inzwischen oft recht verschlungen, erzählt Potentatgelder-Experte Thelesklaf am Beispiel des nigerianischen Ex-Präsidenten Abacha: "Die Gelder wurden zuerst Cash außer Landes geschafft, dann gingen sie nach London und Paris und von dort relativ bald in die Schweiz, nach Lichtenstein und Luxemburg. Der 'Vorwaschprozess' hat vor allem in London stattgefunden." Jedes Land in der Kettehabe also seine Funktion. Auch Deutschland und Österreich fungierten als Zwischenstationen, so Thelesklaf.

Steueroasen werden toleriert

Dass das ganze System auch tatsächlich funktioniere, sei aber vor allem darauf zurückzuführen, dass die Diktatoren Scheinfirmen in Steueroasen gründen könnten, meint Andreas Missbach von der Schweizer Nichtregierungsorganisation "Erklärung von Bern". Das Hauptproblem dabei laut Missbach: Dass Steueroasen - es gibt weltweit 70 davon - grundsätzlich toleriert sind. "Und solange der politische Wille nicht besteht, diese Offshore-Oasen grundsätzlich einzuschränken, solange bleiben sie eben für alle Arten von Geschäften offen." Schachtelkonstruktionen mit drei Steueroasen, einer Stiftung und zwei Scheinfirmen eigneten sich gleichermaßen um Steuern zu vermeiden wie auch um Korruptionsgelder zu verstecken.

Und auch das Beispiel Tunesien zeige, dass die Politiker das Problem der Diktatorgelder nur halbherzig angingen, so Daniel Thelesklaf. Der Herrscher Ben Ali sei überall hofiert worden und habe mit großen Regierungsdelegationen Geschäfte gemacht. Das sei kein Vorbild für die Banken. Es stelle sich da eben die Frage, wie gehen wir in unseren Ländern mit solchen Regimen um.

Schweiz musste reagieren

Immerhin hat die Schweiz seit 1. Februar 2011 ein Gesetz, das zumindest die Rückerstattung der Diktatoren-Gelder an jene Länder, wo sie geraubt wurden, einfacher machen soll. Ist denn nicht zumindest das ein Erfolg? Die Schweiz musste einfach handeln, weil sie immer wieder in große Fluchtgeldskandale verwickelt war, meint Andreas Missbach von der NGO "Erklärung von Bern". Das Problem an dem Gesetz sei, dass es auf genau einen Fall zugeschnitten wurde, so Missbach - jenen des haitianischen Ex-Diktators Jean-Claude Duvallier. Für die Rückerstattung anderer Vermögen sei es hingegen kaum brauchbar. So pessimistisch will all das ein anderer Experte, Chandu Krishnan von Transparency International in London, nicht sehen: Es werde sicher viel mehr getan als vor zehn oder 15 Jahren, als man sich des Problems der Diktatorengelder noch gar nicht bewusst war, so Krishnan. Aber der Weg vor uns sei noch lang.