Auch Höchstgericht befasst

Protest gegen Bettelverbote

In immer mehr österreichischen Bundesländern wird Betteln generell oder nahezu generell verboten. Nach Salzburg und Wien planen derzeit Kärnten und die Steiermark entsprechende Landtagsbeschlüsse. Die Bettelverbote sorgen für Proteste von Menschenrechtlern und aus der Kirche, und werden demnächst auch vom Verfassungsgerichtshof geprüft.

Morgenjournal, 09.02.2011

"Wir leben im Überfluss"

Noch vor dem Sommer dürfte der Verfassungsgerichtshof über die Bettelverbote in Wien und Salzburg entscheiden. Die Grünen haben die Beschwerde gegen das Verbot des gewerbsmäßigen Bettelns in Wien beim Höchstgericht eingebracht. Der Grazer Armenpfarrer Wolfgang Pucher erhob eine Beschwerde gegen das so gut wie generelle Salzburger Bettelverbot. Puchers Hauptargument sind neben der möglichen Verfassungswidrigkeit vor allem Armut und Elend der Roma, etwa in der Slowakei: "Die Arbeitslosigkeit in der Ostslowakei beträgt 50 Prozent, und unter den Roma ist sie bei 98 Prozent. Die müssen pro Person und Tag mit einem Euro leben. Das ist unmöglich. Wir leben eigentlich immer noch im Überfluss, wenn ich bedenke, dass 25 Prozent aller Lebensmittel in Österreich weggeworfen werden."

"Fern halten, wem es schlecht geht"

Zu den nun auch geplanten Bettelverboten in Kärnten und der Steiermark meint Pfarrer Pucher, offenbar wollen die Menschen nicht sehen, wie schlecht es anderen in Österreichs Nachbarländern geht: "Momentan geht eine - fast hätte ich schon gesagt, rassistische - Welle quer durch Österreich, wo wir alle von uns fern halten, denen es schlecht geht."

"Bettelverbot verletzt Grundrecht"

Auch der Völkerrechtler Wolfgang Benedek, der Vorsitzende des Menschenrechtsbeirats in der Steiermark, hält die Bettelverbote für rechts- und verfassungswidrig: "Das ist ein Grundrecht auf Privatleben, dass man um Gaben bittet. Das könnte, wenn die Maßnahme vor allem eine Gruppe trifft, nämlich die Roma, auch eine Verletzung der Rassendiskriminierungskonvention sein."

"Rekrutiert und verfrachtet"

Dass rund 95 Prozent der Bettler Roma sein dürften, bestätigt Norbert Ceipek. Er kümmert sich in Wien um Kinder, die durch Bettelei ausgebeutet wurden. Ceipek spricht sich nicht nur für ein Verbot von Kinderbetteln aus, wie es etwa in der Steiermark längst gilt, sondern überhaupt für strenge Verbote und Kontrollen: "Behinderte Menschen werden zum Teil ganz gezielt auf Plätzen ausgesetzt und missbräuchlich zum Betteln mehr oder weniger verwendet. Da sind sehr wohl Organisationen dahinter, die die Leute in Rumänien rekrutiert und nach Österreich verfrachtet haben.

Auch Ceipek ist aber nicht für ein generelles oder so gut wie generelles Bettelverbot, wie es etwa in der Steiermark geplant ist: "Das Betteln an sich ist nicht das Problem. Wenn Erwachsene so arm sind, dass sie betteln, liegt es ja an den Leuten, ob sie etwas geben oder nicht."

Armenpfarrer Pucher hingegen ist auch gegen Bettelverbot für Behinderte, weil auch sie zu ihrem eigenen Vorteil betteln würden. Zumindest in Graz gebe es trotz Nachforschungen und polizeilicher Ermittlungen keinerlei Nachweis dafür, dass hinter Bettlern Kriminelle stünden.