EU diskutiert den Umgang mit Roma

Ausweisung von EU-Bürgern?

Auf europäischer Ebene wird die Auseinandersetzung um den Umgang mit Roma immer heftiger. Frankreich droht mit Massenausweisungen nach Rumänien. Schweden will ebenfalls bettelnde Roma zurück nach Rumänien schicken. Ein Plan, der mit der in der EU geltenden Personenfreizügigkeit kollidieren könnte.

Mittagsjournal, 03.08.2010

EU-Bürger dürfen sich frei bewegen

Der freie Personenverkehr in Europa, daran erinnert die Europäische Kommission in Brüssel, stellt unverändert eine der Grundfreiheiten der Europäischen Union dar. Und die Roma, die in den letzten Tagen von der Regierung in Frankreich, aber auch in Schweden, so massiv mit der Ausweisung bedroht wurden, sind zumeist EU-Bürger.

Viele kommen aus Rumänien oder Bulgarien, die Länder mit der größten Roma-Minderheit Europas, und haben als EU-Bürger daher grundsätzlich das Recht sich überall in der EU frei zu bewegen.

Eine kollektive Ausweisung, wie das Frankreich für straffällige Roma in den Raum stellt, wenn in den nächsten drei Monaten hunderte Romasiedlungen aufgelöst werden sollen, wäre mit europäischen Recht nicht vereinbar.

Ausnahmen: Gefährliche und Arme

Allerdings haben die Mitgliedsstaaten die Möglichkeit, individuell vorzugehen, wenn Bürger eines anderen EU-Landes die Sicherheit gefährden oder nicht über die Mittel verfügen, sich selbst zu erhalten oder wenn Ausländer mit EU-Pass das Sozialsystem belasten. Eine eigene Richtlinie der Europäischen Union regelt die Grenzen der Niederlassungsfreiheit in der EU in allen Details.

Entscheidend dabei: eine Ausweisung von EU-Bürgern muss in einem fairen Verhältnis zum angezeigten Problem stehen und jeder Einzelne muss die Möglichkeit haben, gegen eine solche Entscheidung zu berufen.

Finnland und Schweden gegen Bettler

Schwedens Migrationsminister ist der Meinung, dass aus Rumänien kommende Bettler nach EU-Recht ausgewiesen werden könnten, weil es sich dabei zumeist um eine organisierte Tätigkeit handelt. Finnland überlegt ein generelles Bettelverbot.

Ein als illegal bezeichnetes Zeltlager in Helsinki ist am Wochenende von 100 Roma aus Rumänien und Bulgarien auf Druck der Behörden aufgelöst worden. Auch für sie gilt: die Abschiebung eines EU-Bürgers ins Heimatland ist nur auf individueller Basis und mit individueller Begründung möglich.

Harmonische Lösung in Belgien

Keine Diskussion um Ausweisungen gibt es dagegen in Belgien, wo eine evangelikale Roma-Gemeinde von einigen hundert Personen und Wohnwagen seit Wochen durch das Land zieht. Mit den Grundstücksbesitzern des wallonischen Dörfchens Dour hat man sich auf Umgangsregeln und eine großzügige Platzmiete geeinigt, sodass der christdemokratische Bürgermeister einer Verlängerung des Aufenthaltes zugestimmt hat.

Größte Minderheit Europas

Zwischen zehn und 12 Millionen Roma leben in der Europäischen Union. Sie sind die größte quer über die 27 Mitgliedsstaaten verstreute Minderheit des Kontinents. Vor allem in Osteuropa sind schlechte Schulbildung, katastrophale Lebensverhältnisse und akute Diskriminierung das größte Problem. Seit Jahren bemüht sich die EU spezielle Förderprogramme zur besseren Integration der Roma vor allem in Osteuropa zu erstellen.

Dass sich die europaweite Debatte diesen Sommer vor allem um den Sinn und die Rechtmäßigkeit von Ausweisungen straffälliger, bettelnder oder sonst auffälliger Roma aus dem reichen Westen in den armen Osten konzentriert, zeigt, wie wenig dabei bisher erreicht wurde.

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