Lage in Kairo explosiv

Mubarak-Rede brüskiert Militär

Als blanke Provokation haben die Demonstranten auf dem Tachrir-Platz in Kairo die gestrige TV-Rede von Präsident Husni Mubarak empfunden. Mubarak wird doch nicht zurücktreten, er übergibt nur die Machtbefugnisse an die Nummer Zwei, Vizepräsident Suleiman. Das Militär dürfte eine Abschiedsrede erwartet haben. Die Armeeführung hat sich ohne Mubarak und Suleiman getroffen.

Morgenjournal, 11.02.2011

ORF-Korrespondent Karim el-Gawhary berichtet direkt aus Kairo

"Sieg auf der Ziellinie weggenommen"

ORF-Korrespondent Karim el-Gawhary befürchtet, dass die Situation heute, am Freitag, komplett außer Kontrolle geraten könnte. Die Menschen seien wirklich wütend und empört, berichtet er. Menschenmasssen seien in der Nacht vom Tahrir-Platz Richtung Fernsehgebäude gezogen und hätten gerufen, sie würden von dort nicht mehr weggehen. "Schluss mit Mubarak!" Die Menschen hätten das Gefühl, dass ihnen "auf der Ziellinie" der Sieg weggenommen worden werde.

Militär getäuscht

Das ägyptische Militär dürfte aller Wahrscheinlichkeit nach bereits gestern den Rücktritt von Mubarak angekündigt haben, vor allem den USA gegenüber. Die meisten hohen Offiziere in der Armee seien in den USA ausgebildet worden. Es gebe da sehr enge Verbindungen. Dann sei Mubarak aber nicht zurückgetreten. Karim el-Gawhary ist überzeugt, dass Mubarak das aus Sturheit gemacht habe, weniger aus Taktik.

Militär verselbstständigt sich

Mubarak hat andere Rede gehalten, als vereinbart und hat damit die Militärführung brüskiert. Gestern habe sich der oberste Militärrat ohne Mubarak und ohne Omar Suleiman getroffen, um zu beraten. Damit habe sich das Militär als unabhängige Einheit, weg von Mubarak präsentiert. Es hat ein Militärkommuniqué Nummer 1 präsentiert. Ob die Militärführung eine geschlossene Meinung habe, ist unklar. Sicher sei, so el-Gawhary, dass die Soldaten auf der Straße immer ungeduldiger würden.

"Mubarak agiert wie ein Teppichhändler"

Für den ORF-Korrespondenten benimmt sich Mubarak wie ein Teppichhändler, der immer hier und dort ein bisschen nachgibt und eine Reförmchen zulässt. Er gebe immer nur kleine Stückchen nach. Das lasse ihn immer unglaubwürdiger wirken.

Morgenjournal, 11.02.2011

Riesige Erwartungen vor Rede

Ungeheuer große Erwartung ging der Rede von Präsident Mubarak voraus.
Nach nur wenigen Worten war aber klar, dass er, nicht daran denkt, zu weichen. Mubarak wiederholt bereits gemachte Versprechen, erklärt, einige Machtbefugnisse an Vizepräsident Suleiman abzutreten, aber dass er selbst den Übergang zu einem Nachfolger überwachen werde.

Menschen fühlen sich hintergangen

Die Demonstranten auf dem Tahrirplatz empfinden die Rede als Hohn, den ganzen Abend schien der Triumpf zum Greifen nahe, und nun das: Wut und Enttäuschung sind enorm: "Wie werden ewig weiter demonstrieren!" Ira ringt nach Luft, sagen sie ihm, er soll gehen.
"So disappointed.…."Schauspieler: "Morgen nach dem Freitagsgebet gehen wir zu seinem Palast!" Ein Marsch auf den Palast, das wissen alle, könnte gefährlich werden. Die Präsidentengarde muss ihn mit Gewalt verteidigen. So viele wie noch nie werden heute in den Straßen erwartet.

Putscht Armee?

Friedensnobelpreisträger El-Baradei hat in einer Twitter-Botschaft die Armee aufgerufen, das Land zu retten. Noch vor der Rede Mubaraks war das militärische Oberkommando zusammengetreten, und hatte in einem sogenannten „Kommuniqué 1“ den Demonstranten versprochen, dass alle ihre Forderungen bald erfüllt würden und die Armee für die Sicherheit des Volkes sorgen würde. Das hatte die großen Erwartungen auf einen bevorstehenden Rücktritt Mubaraks geweckt. Aber auch die Befürchtung, dass die Armee geputscht haben könnte. Es gibt Vermutungen, dass Mubarak und sein Vize Suleiman, womöglich einen Kurs gegen die Armee fahren.

Demonstranten haben weiterhin Vertrauen in Militär

Bei den meisten Demonstranten ist jedenfalls das Vertrauen in die Armee ungebrochen. Ob mit Recht, weiß man nicht. Gewartet wird jetzt, auf Kommunique Nr 2. Es ist Kriegsrechtssprache. Und vor allem darauf, wie sich die Soldaten heute verhalten, wenn die erwarteten Massen auf die Strasse gehen.