Revision eines möglichen Fehlurteils

Laurel und Hardy

Stan Laurel und Oliver Hardy gelten als eines der berühmtesten Filmduos aller Zeiten. Ihre Slapstick-Späße sind nach wie vor legendär, doch sie wurden in Fachkreisen nie auf eine Stufe mit Charlie Chaplin und Buster Keaton gehoben. Sven Hanuschek hält dieses Urteil für einen großen Irrtum.

Der Professor für Neuere Deutsche Literatur an der Universität München sieht in die Ursache darin, dass das Werk von Laurel & Hardy ("Dick & Doof") hauptsächlich als Pausenfüller in völlig unzusammenhängender Form rezipiert wurde. Wenn man heute ihre wieder hergestellten Filme im Komplettzustand betrachtet, ergäbe sich ein ganz anderes Bild, meint er in seinem Buch "Laurel & Hardy.

Filetierte Kunstwerke

Wir blicken zurück. Die 1970er-Jahre. Um 17:00 Uhr unterbrach FS 1 die nachmittägliche, doch etwas monotone Ausstrahlung des Testbildes mit tatsächlich bewegtem Programm. Irgendwann nach "Am, dam, des" und anderen Kindersendungen, erschien der gleichermaßen dicke wie sympathische Herbert "Happi" Prikopa auf dem Bildschirm. In seiner Sendung "Auch Spaß muss sein" präsentierte er neben Zeichentrickfilmen auch Stummfilmklamotten von den "Three Stooges", den "Kleinen Strolchen", Charlie Chaplin oder eben auch Slapstick-Highlights mit "Dick & Doof".

Die gezeigten Ausschnitte, die auch in anderen Vorabendserien wie "Väter der Klamotte" oder "Männer ohne Nerven" präsentiert wurden, waren zumeist willkürlich aus Filmen herausgeschnittene Sequenzen. Wahllos wurden Clips aus verschiedenen Spielfilmen, die nichts miteinander zu tun hatten, aneinandergehängt, originale Rhythmen und Dramaturgien zerstört oder Langfilme in Zehn-Minuten-Versionen zerhackt. Dass dabei von den eigentlichen Intentionen der "Groteskkomiker" Stan und Olli wenig übrig blieb, versteht sich von selbst.

Rekonstruiertes Schaffen

Vor wenigen Jahren hat ein groß angelegtes Restaurierungswerk eingesetzt. Der akribischen Recherche beherzter Filmhistoriker ist es zu verdanken, dass heute eine Art Werkausgabe der 79 Kurzfilme und 27 Spielfilme auf DVD erhältlich ist.

Im Großen und Ganzen kann man also von den frühesten Solofilmen bis zu den letzten, laut Autor Sven Hanuschek "nicht immer zu Recht als schwach geltenden Langfilmen", alles sowohl im Original, als auch in passabler Synchronisation sehen und neu entdecken.

Man nehme ...

Was macht den Humor des berühmtesten Komiker-Duos aller Zeiten aus? Sondiert man seine Kindheitserinnerungen, so sind es vor allem die perfekt choreografierten Slapstick-Einlagen. Erstens: Tortenschlachten - die wohl irrste von allen mit rund 4.000 Stück fand in dem nur noch fragmentarisch erhaltenen Streifen "Die Schlacht des Jahrhunderts" statt.

Zweitens: Lachanfälle - oft völlig unmotiviert, aber zumeist absolut ansteckend. Drittens: angewandter Surrealismus - Fische, die zu Stans Akkordeonmelodien tanzen; ein zerhacktes Klavier, eine Glühbirne, die Stan herausschraubt, weil er sie im Waschraum zum Rasieren braucht, die aber auf dem Weg dorthin die ganze Zeit in seiner Hand weiterleuchtet. Und viertens: Stans berühmte Heulkrämpfe.

Beruf mit Leidenschaft

Der "dünne" - oder wenn Sie wollen "doofe" - und zumeist vom "dicken" Olli unterdrückt wirkende Stan war der eigentlich kreative Kopf des Duos. Während sich Mister Hardy hauptsächlich als Schauspieler einbrachte, entwickelte Laurel zahlreiche Gags und Drehbücher, führte oft Regie und arbeitete am Schnitt mit, auch wenn er dafür namentlich nie erwähnt wurde.

Noch nach dem Tod Oliver Hardys sammelte Stan Laurel Zeitungsausschnitte über absurde Alltagssituationen, wie Zwiebelwettessen oder einen Kaugummi kauenden Bräutigam und malte sich aus, wie er diese in gemeinsamen Szenen inszenieren würde.

Kurzweilige Kleinteiligkeit

Trotz allen Wetterns gegen die Filmschnipsel-Kultur, besteht Sven Hanuscheks Buch selbst aus unzähligen Fragmenten und Ausschnitten, gespickt mit einer würzigen Portion Anekdoten. Das Kleinteilige macht sein Buch aber auch kurzweilig.

So hat man also keine langatmige Abhandlung eines Filmwissenschaftlers in Händen, sondern einen durchaus direkten Zugang zum unvergleichlichen Witz zweier Komik-Künstler, der auch ein halbes Jahrhundert nach ihrem Tod, klaglos funktioniert und jedenfalls viel besser ist, als eben nur "dick und doof".

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Service

Sven Hanuschek, "Laurel und Hardy. Eine Revision", Zsolnay Verlag

"Laurel & Hardy. Filme und Buchpräsentation", Donnerstag, 24. Februar 2011, 20:30 Uhr, Österreichisches Filmmuseum

Hanser Verlage - Laurel und Hardy
Österreichisches Filmmuseum - Laurel & Hardy