Zensur und Restriktionen im Iran

"Censured Cinema" bei der Berlinale

Die diesjährige Berlinale ist geprägt von der Abwesenheit eines Mannes: des iranischen Filmemachers Jafar Panahi. Kurz nachdem ihn die Festivalleitung in die Jury 2011 eingeladen hatte, wurde er, zusammen mit seinem Kollegen Mohammad Rasoulof, im Iran zu sechs Jahren Haft und 20 Jahren Berufsverbot verurteilt. Weltweit wird gegen dieses Urteil und den Verstoß gegen die Meinungs- und Redefreiheit protestiert.

Jafar Panahi ist einer der bekanntesten Filmemacher im Iran. Er setzt sich in seinen Filmen kritisch mit der sozialen Situation in seinem Heimatland auseinander. 2005 gewann er mit seinem Film "Offside" den Silbernen Bären. Fast zeitgleich zu seiner Verurteilung erreichte das Lauffeuer aus Tunesien und Ägypten die Hauptstadt Teheran. Die Lage im Iran ist angespannt. Die Menschen demonstrieren wieder - zum ersten Mal seit der brutalen Niederschlagung der Demonstrationen mit der Wiederwahl Achmadinedschads im Juni 2009, zum ersten Mal seit der grünen Revolution.

Aus Solidarität mit Jafar Panahi hat die Berlinale im Rahmen des "Talent Campus" zu einer Podiumsdiskussion eingeladen - "Censured Cinema", über Zensur und Restriktionen im Iran.

Kulturjournal, 18.02.2011

Irmgard Berner

Fragen stellen

Vor dem Berliner Hebbel-Theater versammelten sich bereits Dutzende Demonstranten mit Transparenten, Lautsprechern und Trommelmusik. Vor allem viele Iraner waren gekommen, um zu hören, wie die vier geladenen Filmemacher und Exil-Iraner mit politischer Zensur umgehen und welche Konsequenzen das für ihre Arbeit hat.

Rafi Pitts, iranischer Filmemacher, der in London lebt, hatte mit seinem Film "The Hunter" auf der Berlinale 2010 für Aufsehen gesorgt. Der Film spielt in Teheran und zeigt, wie ein Mann aus Unterdrückung zum Mörder an einem Polizisten und er selbst zum Gejagten wird. Rafi Pitts dreht alle seine Filme im Iran - trotz Zensur. Die gab es auch schon vor der Revolution, sagt er. Anders sei heute nur, dass jede Frage, die man stellt, aus Sicht des Regimes sofort politisch ist. So sei es auch mit Jafar Panahi und dessen Kollegen Rasoulof gewesen. Die hätten aber nur ihre Arbeit gemacht, nämlich Filme.

"Was Jafar Panahi und Mohamad Rasoulof taten, war ihr Job", sagt Pitts, "eine Filmidee entwickeln. Aber für die Idee wurden sie politisch verantwortlich gemacht. Sie sind nicht politisch, sie machen ihren Job: sie stellen Fragen. (...) Und deshalb muss man die iranischen Autoritäten fragen, warum ist es ein Verbrechen, Fragen zu stellen?"

Ein "diabolisches Spiel"

Rafi Pitts hat im Dezember letzten Jahres auf die Inhaftierung seines Kollegen Panahi mit einem offenen Brief an den iranischen Präsidenten Achmadinedschad reagiert. Eine Antwort bekam er nicht. Antworten bekommt auch Sepideh Farsi keine. 2009 drehte die in Paris lebende, iranische Filmemacherin den Film "Teheran without Permission". Mit der Handykamera tauchte sie hautnah in das Alltagsleben der iranischen Hauptstadt ein und filmte Menschen, die ein freies, unabhängiges Leben führen wollen. Das war kurz vor der Wiederwahl Achmadineschads.

Es sei ein politisches Spiel, sagt Farsi, es komme darauf an, wie wichtig zum Zeitpunkt der Verhaftung ein Film ist. "Das ist ein sehr kluges, diabolisches Spiel."

Um dieses Spiel und die Zensur zu umgehen, haben Filmemacher, aber auch Autoren und Journalisten sogar eine neue Sprache, einen neuen Stil erfunden, sagt Mehrangiz Kar. Die iranische Anwältin, Aktivistin und Autorin lebt in den USA und setzt sich seit Jahren für Menschenrechte im Iran ein. Aber selbst die neue Sprache der Filmemacher wird von den Zensoren politisiert und schließlich kriminalisiert, denn als die Filmemacher lernen mussten, dass sie das politische System nicht ändern können, sagt Mehrangiz Kar, versuchten sie ihr Bestes, um ihren eigenen Weg zu ändern - und fanden eine neue Sprache. Zu allem Unglück attackiert nun Achmadinedschad sogar diesen Stil.

Trotz alledem wird klar: Aufgeben wollen die Filmemacher und Künstler nicht. Und die Solidarität, die Regisseur Jafar Panahi und alle freiheitsliebenden Iraner dieser Tage auf der Berlinale erfahren, gibt Mut.

Text: Irmgard Berner

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