Dem "Wording" auf der Spur

Verschleiernder Sprachgebrauch

Absichtlich verschleiernder Sprachgebrauch, "Wording", hat in Politik, Medien und der Sprache der Wirtschaft Einzug gehalten.

Kulturjournal, 25.02.2011

Es geht um Begriffe, die in bewusst manipulativer Absicht - schönfärberisch oder schwarzmalend - eingeschleust werden.

Das Wording in Politik, Medien und Wirtschaft

"Eurorettungsschirm": Der Begriff suggeriert Geborgenheit so gut wie garantierten Schutz vor einer möglichen Katastrophe. Als wäre der Euro ein Bursche, der in Not geraten kann - aber der Rettungsschirm wird ihn auffangen; so will uns das Wort glauben machen. Der Ausdruck zielt auf menschelnde Emotionen. Dabei bezeichnet der "Eurorettungsschirm" ein komplexes finanztechnisches Maßnahmenpaket - im Rahmen der höchst umstrittenen Geldpolitik der EU, die harte Sparmaßnahmen nach sich zieht.

Begriffe kreieren, die der Bevölkerung ein X für ein U vormachen sollen: Die Taktik ist natürlich alles andere als neu - daran erinnert die Sprachsoziologin Ruth Wodak: "Gegeben hat es diese Art der Manipulation, der Propaganda, tatsächlich immer schon. Es hat sich ja die klassische Rhetorik damit befasst, und schließlich geht die auf Aristoteles zurück."

Und spätestens Hitlers und Stalins Propagandapersonal produzierte einen geradezu industriellen Massenausstoß an Wörtern zur Schön- bzw. Hässlichfärberei.

Schönfärbende und schwarz malende Begriffe

Trotzdem neigen wir zu dem Empfinden, dass uns solche Sprachkreationen in so hoher Dichte wie schon lang nicht mehr um die Ohren fliegen. Das dürfte einerseits am gesteigerten Medienkonsum vor allem im Internet liegen - wir werden mit den betreffenden Vokabeln einfach öfter konfrontiert.

Dietmar Ecker von der Kommunikationsagentur Ecker und Partner stellt jedoch tatsächlich eine wachsende Nachfrage nach Schlagworten fest. Politische Inhalte, Waren oder Leistungen müssen in immer knapperer Form werblich verkauft werden, optimalerweise mit dem einen durchschlagskräftigen Wort.

Suche nach dem zentralen Wort

"Wir sind schließlich damit konfrontiert, dass uns die Auftraggeber sagen: Wir haben zehn Sekunden im Fernsehen Zeit, 20 Sekunden im Radio, und da ist es ganz wichtig, welche zentralen Wörter setzen Sie ein", so Ecker. "Das ist insofern einwachsender Markt, als die Bedeutung dieser grundsätzlichen Wörter größer wird."

Es gibt zwei Kategorien von "Wording": Etwas Bekanntes umbenennen - "Schurkenstaaten" für Länder, mit denen die USA im Clinch liegen. "Außerlandesbringung" für Abschiebung.

Im anderen Fall wird zu etwas Neuem, noch nicht Bekanntem das Wort geliefert. "Vaginalverschönerung". Hört sich nach einer unstrittig guten Sache an - "Verschönerung" kann ja nur gut sein. Erst wenn man recherchiert, worum es bei Vaginalverschönerung geht, riecht man den Braten. Es geht dabei nämlich immer ums Wegschneiden, ums Verkleinern. Mann und Frau soll nur small beautiful finden, damit Frau sich so eine Operation - jawohl - kauft.

Kabarettist Gunkl zur "Mitwirkungspflicht"

Der Kabarettist Günter Paal, Gunkl, ist berühmt für den sprachspielerischen, sprachkritischen Ansatz seiner Programme. Jüngst ist ihm der Terminus "Mitwirkungspflicht" über den Weg gelaufen. Die "Mitwirkungspflicht" wurde gerade im Rahmen des neuen Fremdenrechts im Ministerrat abgesegnet. Gemeint ist, dass Asylwerber bis zu sieben Tage das Erstaufnahmezentrum nicht verlassen dürfen, bis geklärt ist, ob ihr Antrag überhaupt berücksichtigt wird.

Kommentar Gunkl zur "Mitwirkungspflicht": "Es gibt sicherlich Swingerclubs, wo es eine Mitwirkungspflicht gibt - dass die Leute nicht nur hingehen und zuschauen, sondern wenn du herkommst, musst du auch was machen, weil, sonst ist's ja blöd. Aber das, was hier mit dieser gegenständlichen Mitwirkungspflicht benannt wird, dass man wen einfach einsperrt und nicht raus lässt, das ist kein Mitwirken. Wirken heißt schon, dass man was bewirkt. Nämlich als Subjekt an einem Objekt. Wenn ich wo bin und mich dort nicht weg bewege, ist es kein Wirken."

Stecken hinter jedem neuen Schlagwort PR-Profis?

Soll man hinter jeder Wortschöpfung dieser Art hochbezahlte PR-Spezialisten vermuten? Nicht durchgängig, weiß Dietmar Ecker aus Erfahrung - seine Agentur ist auch für Auftraggeber aus der Politik tätig: "Es ist manchmal so. Aber es ist nicht so, dass man sagen kann, das ist jetzt ein industrieller Zweig der Kommunikationsbranche".

Jedenfalls nicht in Österreich - oder nicht im politischen Alltagsgeschäft, wohl aber bei Wahlkampagnen. Immer öfter wird auch per Marktforschung eruiert, ob die betreffenden Designwörter die erwünschte Wirkung erzielen, weiß die Motivforscherin Sophie Karmasin: "Zum einen werden Begriffe darauf hinterfragt, wie sie verstanden werden, und ob sie die wesentlichen Inhalte transportieren. Das ist ein Phänomen, das ich in den letzten zwei Jahren schon verstärkt sehe".

Mehr Sprachbewusstsein durch "political correctness"

In Diktaturen muss man mit Sanktionen rechnen, wenn man zum Beispiel statt "ethnischer Säuberung" "Massaker" sagt. In Demokratien haben Journalisten wie auch ihr Publikum die Freiheit, das Wording, das ihnen vorgesetzt wird, nicht zu übernehmen. Und tun es doch allzu oft. Und zwar aus mehreren Gründen. Einen nennt Ruth Wodak.

"Ich denke, dass es schwierig ist - und wir sind ja alle sehr gestresst - sich die Distanz zu dieser Information zu schaffen und tatsächlich immer kritisch zu lesen", sagt Wodak. "Aber ab und zu geht das. Und es gibt ja auch etwas, was in den letzten Jahren immer sehr negativ bewertet wurde, nämlich politische Korrektheit. Meiner Meinung nach kann auch politische Korrektheit weit überzogen werden, aber dennoch hat das ein bestimmtes Sprachbewusstsein möglich gemacht".

Man achtet stärker darauf, wie man eine Sache benennt, und ist sich dessen bewusst, dass man sie auch anders nennen kann, als man es die längste Zeit getan hat.

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