Die neue Subkultur der Jugendlichen
Der Stadtraum als Spielplatz
Raum ist in Städten ein knappes Gut. Im Rahmen des neoliberalen Strukturwandels ist auch mit dem sogenannten öffentlichen Raum nicht zimperlich umgegangen worden. Privatisierungen von Plätzen, Gebäuden und Verkehrswegen führen zu immer weniger Möglichkeiten für die subkulturelle Praxis von Jugendkulturen. Doch die Jugend ist dabei, sich den Raum zurückzuerobern.
8. April 2017, 21:58
Sport, die spielerische Freude an Bewegung und deren Ästhetik spielen dabei eine wichtige Rolle. Weniger der Konsum steht im Zentrum der Szenen - die Identifikation geschieht eher über Politisierung von Alltagskultur und Gesten ästhetischen Gestaltungswillens.
Fixies
Bremsen, Schaltung und Schutzbleche sind für Fixie-Fahrer und -Fahrerinnen nur nutzloses Beiwerk. Fixies sind Räder ohne Freilauf, also mit starrer Übersetzung und nur einem Gang. Eine Art Ur-Rad - als Pierre Michaux 1864 das Fahrrad erfand, waren dessen Pedale auch direkt mit den Rädern verbunden; mit dieser Art von Nostalgie haben Fixies allerdings nichts zu tun, vielmehr sind sie puristische Maschinen mit maximaler Funktionalität, die ihren Dienst in urbanen Fahrradkurierkreisen leisten. Ein Trend, der in den 1980er Jahren in der Kurierszene New Yorks die Runde machte. Das Rad ist dort Arbeitsgerät. Alles, was gestohlen werden könnte oder was leicht kaputt geht, wird abmontiert. Mit spielerischem Umgang und wenig Rücksicht auf die Straßenverkehrsordnung bewegen sich die Fixie-Fahrer und -Fahrerinnen zwischen Autokolonnen und durch die urbane Landschaft.
Parkour
Zu Fuß und immer auf der Suche nach dem kürzesten oder effizientesten Weg von A nach B sind die Traceure beim "Parkour" unterwegs. Angelehnt an das französische "tracer", ziehen die Traceure eine virtuelle Spur durch die Landschaft. Egal, ob in natürlichem oder urbanem Umfeld - in rasender Geschwindigkeit werden Bänke, Blumenbeete, Mauern oder Hochhausschluchten übersprungen und überklettert. Die "Méthode naturelle", das von einem französischen Marineoffizier erfundene Fitnesstraining für Militärs, stand Pate für die Entwicklung von "Parkour". Dort setzt auch die Kritik an dieser Art der Fortbewegung im Urbanen an.
City-Bouldern
Nicht laufend, sondern kletternd bewegt man sich beim "Urban-" oder "City-Bouldern" fort. Statt am Naturfels werden die Kletteraufgaben an Mauern, Hausfassaden, Straßenschildern oder Brückenpfeilern bewältigt - in Absprunghöhe und ohne Seil. Das scheint der Reiz zu sein. Der Faktor Höhe fällt weg, im Zentrum steht die Bewegung und deren Ästhetik - und das Versteckspiel mit der Polizei.
Glatt und verkehrt - Urban Knitting
Gegen das Grau der Städte treten Aktivist/innengruppen weltweit an. Angelehnt an die Tradition des Graffiti, werden Türklinken, Straßenschilder, Skulpturen, Bäume oder Regenrinnen bunt eingestrickt oder Telefonzellen und Wartehäuschen mit Wolle verziert. Die Bewegung des "Radical Crafting" verbindet Stricken mit feministischer Politik.
Der Begriff Subkultur hat längst ausgedient. Zu differenziert sind die jungen Individualistinnen und Individualisten der Gegenwart. Anders als bei den Gegenkulturen der 1970er Jahre, treten sie weniger in geschlossenen Gruppen auf. Es sind lose Netzwerke, die meist über bildliche Repräsentation in Form von Videos oder Bildergalerien im Internet funktionieren. "Digitale Outdoorkulturen", wie sie der Kulturwissenschaftler Diedrich Diederichsen einmal bezeichnet hat.