Wirtschaftsplan für mehr soziale Sicherheit

Chinas Angst vor dem eigenen Volk

In Peking tritt wie jedes Jahr der nationale Volkskongress zusammen, das chinesische Parlament. Ein neuer Fünfjahresplan wird abgesegnet. China plant sein Wirtschaftsmodell umzustellen. Denn die Einkommen sind längst ungerechter verteilt als im kapitalistischen Amerika. Chinas Führer sind angesichts der sozialen Revolten im Nahen Osten alarmiert.

Mittagsjournal, 04.03.2011

Wirtschaftsmotor Konsumenten

Chinas Parlament tagt nur einmal im Jahr. Und tatsächlich zu entscheiden haben die mehr als 3000 Delegierten bei ihren tagelangen Sitzungen in der großen Halle des Volkes auch nichts. Hier gilt abzunicken, was die politische Führung vorgibt. Und deren Plan für die kommenden fünf Jahre ist ehrgeizig, zumindest auf dem Papier. Denn ein Plan bleibt ein Plan und will ja auch erst einmal umgesetzt werden. Doch die Stoßrichtung ist klar: China will einen tiefgreifenden Strukturwandel schaffen. Es will sich von einem weltweiten Lieferanten von Billigwaren zu einem Produzenten von High-Tech-Gütern mausern.

Je mehr Wachstum, desto besser. Diese Prämisse galt seit der wirtschaftlichen Öffnung Chinas vor nunmehr drei Jahrzehnten. Jetzt will man umsatteln auf ein Wirtschaftsmodell, das viel stärker von der Nachfrage der Konsumenten im Inland angetrieben wird und nicht allein von den Exporten. Auch deshalb, weil die Wirtschaftsentwicklung in Chinas wichtigsten Exportmärkten, in den USA und Europa, von den Planern in Peking für die kommenden Jahre als äußerst düster angesehen wird.

Keine Einkommensgerechtigkeit

Doch um den Konsum in China anzukurbeln, damit Konsumenten auch Geld ausgeben, brauchen sie vor allem: Geld und ein Gefühl sozialer Sicherheit. Besonders Chinas geschätzte 800 Millionen Bauern bleiben jedoch echte Sparmeister. Kein Wunder, denn ihnen werden grundlegende Sozialleistungen, wie sie Stadtbewohnern gewährt werden, bisher größtenteils vorenthalten. Und so wird für schlechte Zeiten eben schon vorgespart. Ökonomen wie Hu Angang, der auch die Regierung berät, beklagen auch die rasant steigenden Einkommensunterschiede: „Die Kluft zwischen Arm und Reich ist in China unter dem letzten Fünfjahresplan deutlich gestiegen. Und das wird auch so weitergehen, wenn dagegen nichts unternommen wird. Wir brauchen ein neues, gerechteres Steuersystem. Die Regierung will in den kommenden fünf Jahren auch erreichen, dass auf dem Land zumindest jeder zweite ältere Mensch Anrecht auf etwas staatliche Unterstützung erhält. Der Aufbau eines echten Sozialsystems stellt uns vor große Herausforderungen.“

Angst vor Revolten

Dass soziale Missstände, Korruption, Landraub sowie steigende Lebensmittel und Wohnungspreise Regimes zu Fall bringen können, ist Chinas Führern nicht erst seit den jüngsten Revolten im Nahen Osten bewusst. Und so hat Premierminister Wen Jiabao kurz vor Beginn des Volkskongresses die Bekämpfung von Inflation, von Korruption sowie eine gerechtere Einkommensverteilung noch einmal öffentlich zu den wichtigsten Aufgaben der nächsten fünf Jahre erklärt. Chinas Wirtschaft soll nur mehr maximal um sieben Prozent pro Jahr wachsen. Und der Raubbau an Umwelt und Natur eingedämmt werden. All dies ist im kommenden Fünfjahresplan festgeschrieben. Die Richtung stimmt. Wie erfolgreich der Plan umgesetzt wird, kann letztlich darüber entscheiden, ob die von Chinas Führern so gern propagierte harmonische Gesellschaft tatsächlich auch so harmonisch bleibt.