Der Frauentag in Russland

Paschas an der Macht

Seit den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts gehört der 8. März zum Kernbestand des sowjetischen Festkalenders. Bis heute ist er ein russischer Feiertag. Seine politische Bedeutung hat der Frauentag fast völlig verloren. Sehr zu Unrecht, denn Putins Russland ist eine reine Männergesellschaft.

Der kostümierte Frauentag

In einem Staat, in dem der Stärkere immer recht hat, egal ob im Geschäftsleben, in der Politik oder in der Armee ist für einen Feiertag wie den 8. März, der dem Kampf der Frauen um Gleichberechtigung gewidmet ist, eigentlich gar kein Platz. Da aber nichts heikler ist, als einen Feiertag abzuschaffen, hat der 8. März im russischen Alltagsleben eine sehr seltsame Umformung erfahren.

Die Revolutionärinnen von einst Clara Zetkin und Alexandra Kollontai wären wahrscheinlich entsetzt, aber im Russland von heute ist der Internationale Frauentag irgendwo zwischen Valentinstag und heidnischem Frühlingsfest gelandet.

Der 8. März ist ein gesetzlicher Feiertag und für den Tag davor gilt nur eine Regel: Männer müssen zu Hause und am Arbeitsplatz mit einem großen Strauß Blumen auftauchen, mit drei roten Nelken ist es heute nicht mehr getan.

Bei einer Umfrage im Zentrum Moskaus definierten die Befragten den 8. März so:

Die realpolitische Gegenwart

Irgendeinen politischen Gehalt des Feiertages konnte praktisch niemand mehr ausmachen. Für Galina Michaljowa, der Gender-Beauftragten der demokratischen Partei Jabloko, ist die politische Dimension des Frauentages allerdings noch nicht Geschichte, sie rückt das Bild etwas zurecht und erklärt: “Das war kein Fest, das war ein Tag, an dem die Frauen gesagt haben, wir brauchen unsere Rechte und unsere Möglichkeiten. Aber dann später wurde dieser Tag als Feiertag eingeführt und es sah immer so aus, an dem die Frauen ihre Blumensträußchen bekommen haben und die Männer total besoffen waren.“

So war es in den letzten Jahren der Sowjetunion und wenn man es genau betrachtet, dann hat sich bis heute nicht allzu viel geändert: “Was wirklich schlimm bei uns ist, dass bei uns nicht einmal die Themen, die für Europa selbstverständlich sind, artikuliert werden. Unsere Frauen bekommen nur zwei Drittel von den Löhnen der Männer und unsere Frauen haben doppelte Pflichten. Sie arbeiten und verdienen und sie arbeiten auch zu Hause. Für unsere Männer sind die Rollen der Väter und Ehemänner überhaupt nicht wichtig. Wir sind ziemlich weit von Gleichheit entfernt und bis jetzt gibt es auch kein Gesetz über die Gleichheit.“

Hat sich in den letzten zwanzig Jahren, nach dem Ende der Sowjetunion, für die Frauen etwas zum Positiven gewendet? Galina Michaljowa ist skeptisch. Für sie ist die Lage der Frauen eher noch schwieriger geworden: “Früher gab es ja Sicherheiten für die Frauen. Eine Schwangere konnte nicht entlassen werden und eine Frau, die in Mutterurlaub ging, die bekam mit Sicherheit relativ viel Geld und in Privatbetrieben ist jetzt die Sitte, wenn eine junge Frau ihren Job bekommt, dann schreibt sie vom ersten Tag an eine Bitte um Entlassung ohne Datum. Wenn sie schwanger wird dann setzt der Chef das Datum ein und sie ist sofort weg.“

Die Rolle der Kirche

Verschärfend kommt dazu, dass sich auch die orthodoxe Kirche mit ihren restriktiven Moralvorstellungen immer öfter zu Wort meldet. Vom Staat als Ideologieersatz begrüßt, mischt sich die Kirche nun in alle Lebensbereiche ein und oft mit kruden Forderungen. Die neueste Initiative ist, dass sich Frauen sittsam kleiden sollen, also mit langem Rock und einem Tuch auf dem Kopf, „wie in islamischen Ländern“, kritisiert Galina Michaljowa.

Eine Quotenregel für Russland?

Wie die letzten zehn Jahre deutlich zeigen hält Wladimir Putin Frauen in der Politik für verzichtbar. Der Kampfsportler, der im reißenden Wildbach mit nacktem Oberkörper posiert. Der Jet-Pilot, der den Schneeleoparden krault. Seine Macho-Auftritte, die kalkulierten Ausrutscher in die Gangstersprache, signalisieren: Hier kommt der Chef einer Gang, die gewohnt ist, siegreich vom Platz zu gehen. Frauen dürfen zusehen, bewundern, mitspielen dürfen sie nicht.

Man kann diese Haltung auch in Zahlen fassen: Drei Frauen in der aktuellen russischen Regierung. Der Frauenanteil in der Duma beträgt 14 Prozent. Von den 83 Provinzgouverneuren sind zwei Frauen. Russischen Frauen sind auf der kommunalen Ebene vertreten, wo es kein Geld und keine Macht gibt und bei den NGOs, wo es noch weniger gibt.

Bleibt der Artikel 19 der russischen Verfassung, der die Gleichstellung der Frauen festschreibt. Aber es gibt keine Mechanismen, die diesen Normen Leben einhauchen. Die Parteien, die Führungskader sind fest in den Händen der Männer. Für Galina Michaljowa lautet das Credo deshalb:
“Ich plädiere für eine Quote, obwohl mich auch in meiner Partei nicht alle unterstützen, vor allem Männer natürlich nicht, die das nicht verstehen. Aber ich glaube, es gibt keine andere Möglichkeit.“

Das allerdings würde eine völlige Änderung des politischen Systems voraussetzen. Die derzeitige Führung ist an einer Politisierung des Internationalen Frauentages sicher nicht interessiert, für sie ist der 8. März im besten Fall postsowjetische Brauchtumspflege ohne jeden tieferen Gehalt.

Text: Georg Dox, Bearbeitung: Joseph Schimmer