Melville-Retro im Filmmuseum
Meister des Gangsterfilms
Das Österreichische Filmmuseum in Wien zeigt ab Freitag, 11. März 2011, eine Retrospektive mit Filmen von Jean-Pierre Melville. Der französische Meister des Gangsterfilms war eine außergewöhnliche Persönlichkeit, das Filmmuseum spricht von einer "singulären Figur des Weltkinos".
8. April 2017, 21:58
Kulturjournal, 11.03.2011
Alexander Horwath, Direktor des Österreichischen Filmmuseums im Gespräch mit
Nur 13 Filme hat Jean-Pierre Melville in seiner 30-jährigen Karriere gedreht, doch sie waren praktisch allesamt Meisterwerke, wobei man besonders "Le Samourai" ("Der eiskalte Engel"), "Le Doulos" ("Der Teufel mit der weißen Weste") und "Der zweite Atem" besonders hervorheben muss.
Dazu kommt eine Trilogie über die Résistance, den Widerstand gegen die Hitler-Deutsche Besetzung Frankreichs, in der Jean-Pierre Melville selbst aktiv war. Dabei hat er Schauspieler beschäftigt, die inzwischen emblematisch für das Genre sind: Alain Delon, Jean-Paul Belmondo, Lino Ventura und Yves Montand.
Kultur aktuell, 10.03.2011
Verrat als Handlungsmotor
In seinen Filmen geht es um das Scheitern, die Einsamkeit und den Tod. Aber auch um die Werte von Freundschaft und Solidarität. In einem Interview meinte Melville 1970, dass Gangster an sich armselige, elende Typen seien, aber der Gangsterfilm sei ein wunderbares Vehikel, um Geschichten zu erzählen, die ihm wichtig seien: über persönliche Freiheit, über die Freundschaft, über die Beziehungen zwischen den Menschen, über den Verrat, der ein essenzieller Motor des amerikanischen roman noir sei.
Melville, der ein fanatischer Kinogeher war - er sah im Schnitt fünf Filme pro Tag, und auch als er älter war mindestens zwei nach dem Abendessen - war ein großer Bewunderer des amerikanischen Kinos, vor allem des film noir. Im Gegensatz zu den amerikanischen Filmen gibt es bei ihm allerdings kein Happy End. Auch werden bei ihm, als erstem in großem Stil, die Grenzen zwischen Gut und Böse verwischt.
Moralische Grauzonen
"Diese moralischen Grauzonen, was die Rollenverteilung zwischen Polizist/ Gesetzeshüter auf der einen Seite und Krimineller/Gesetzesbrecher auf der anderen Seite betrifft - diese werden bei Melville wirklich austauschbar", so Alexander Horwath, Direktor des Österreichischen Filmmuseums.
Durch diese Grauzonen wird das Publikum verunsichert. In demselben Interview von 1970 hat Melville gesagt, dass es ihm gefiele, wenn die Zuschauer nicht ganz sicher seien, dass sie alles verstanden hätten, wenn sie sich hinterher Fragen stellten.
Persönliche Filmsprache
Dabei entwickelt Melville eine sehr persönliche Filmsprache. Er konzentriert sich extrem auf das Wesentliche durch eine ihm eigene Stilisierung, wobei er mit Regisseuren wie etwa Robert Bresson verglichen wurde.
"Er hat sowohl szenisch als auch räumlich bestimmte Dinge einfach nicht gefilmt und sich auf ganz wesentliche Aspekte konzentriert - das Gesicht, die Mimik, die Gestalt des Helden, des Schauspielers, bestimmte Handlungen, Tätigkeiten; wie geht jemand; oft sind über lange Strecken keine Dialoge zu erleben. Und über das Licht: die Räume umzugestalten allein durch die Weise, wie sie ausgeleuchtet sind", erläutert Horwath.
Großer Erfolg beim Publikum
Was so esoterisch oder spartanisch klingen mag, ergibt in der Praxis unerhört spannenden Filme, die, schon als sie herauskamen, einen großen Erfolg auch beim Publikum hatten. Und Melville, der ja der auteur absolu war - er war Autor, Regisseur seiner Filme und schnitt sie auch selbst - meinte, dass ein Film kommerziellen Erfolg haben müsse, er sei in erster Linie ein Produkt.
Textfassung: Rainer Elstner
Service
Retrospektive Jean-Pierre Melville, 11. März bis 7. April 2011, Österreichisches Filmmuseum
Österreichisches Filmmuseum