Schweres Nachbeben erschüttert Japan
Zweite Explosion im Atomkraftwerk Fukushima
Die Schreckensmeldungen aus Japan überschlagen sich. Nach einem schweren Nachbeben erschütterte am Montag eine neue Explosion das Unglücks-Atomkraftwerk Fukushima. Die Regierung beruhigt: Die Reaktorhülle halte Stand. Davon geht auch der Atomexperte Mario Villa im Ö1-Morgenjournal aus.
8. April 2017, 21:58
Nächsten drei Tage entscheidend
Atomexperte Mario Villa von der TU Wien ist zuversichtlich. Sollte das System noch zwei bis drei Tage so aufrecht erhalten werden, dann sei die größte Gefahr gebannt. Es habe einmal in den USA in Freeport einen vergleichbaren Fall gegeben, bei dem es geschafft worden sei, die Kernschmelze innehrhalb des Druckbehälters "einzusperren".
Morgenjournal, 14.03.2011
Atomeexperte Mario Villa von der TU Wien zu den Aussichten auf Erfolg die Kernschmelze einzudämmen
Morgenjournal, 14.03.2011
Tom Brandenberger im Gespräch mit Atomexperten Mario Villa
Druck wird nach außen verlagert
Atomexperte Mario Villa, Leiter des Forschungsreaktors an der Technischen Universität Wien, erklärt im Gespräch mit Ö1 die Vorgänge im Reaktor 3 in Fukushima. Der Kern des Reaktors sei sehr heiß, es herrschten Temperaturen von 2.500 - 3000 Grad Celsius. Dabei entstünden Reaktionen, bei denen Wasserstoff freigesetzt werde. Der Wasserstoff bilde einen Überdruck im Reaktordruckbehälter. Dieser müsse abgeleitet werden. Bei der Ableitung trete der Wasserstoff in den nächsten Bereich hinaus. Das ist das Containment. Wenn es dort zu einer Reaktion mit Sauerstoff komme, dann trete eine Knallgasreaktion ein. Druck wird also verlagert.
Morgenjournal, 14.03.2011
Fukushima: Reaktor 3 soll standhalten
Die Katastrophe in Japan nimmt immer dramatischere Dimensionen an: Nach einem heftigen Nachbeben und einer neuen Tsunami-Warnung erschütterte am Montag eine zweite Explosion in einem Reaktor das Unglücks-Atomkraftwerk in Fukushima. Nach Angaben der Regierung hat die Stahlhülle des Blocks 3 aber standgehalten. Die Betreiberfirma Tepco teilte mit, es seien keine größere Mengen Radioaktivität freigesetzt worden. Bereits vor den neuen Schreckensnachrichten waren an der Küste im Nordosten Hunderte Leichen entdeckt worden - Zehntausende werden es wohl insgesamt.
Neues starkes Beben
Das Nachbeben der Stärke 6,2 erschütterte um kurz nach 10.00 Uhr Ortszeit (2.00 Uhr österreichischer Zeit) auch die japanische Hauptstadt Tokio. Das Epizentrum lag nach Angaben der US-Erdbebenbehörde USGS 140 Kilometer nordöstlich der Hauptstadt - also in Richtung der Atomanlagen in Fukushima. Eine Tsunami-Warnung wurde später wieder aufgehoben.
Fukushima: Wasserstoffexplosion
Von den Unglücksmeilern in Fukushima meldete der Sender NHK wenig später Explosionsgeräusche in der Nähe des Reaktors Nummer 3. Wie die Nachrichtenagentur Kyodo berichtete, war es eine Wasserstoffexplosion. Eine solche Detonation hatte es bereits am Samstag im Reaktorblock 1 gegeben. Medien berichteten, der in östliche Richtung wehende Wind trage eine mögliche Wolke aus radioaktiver Strahlung hinaus auf den Pazifik tragen und nicht ins Landesinnere.
Reaktoren: Widersprüchliche Informationen
Die Katastrophe hatte am Freitag ihren Lauf genommen: Ein Beben mit der Stärke 9,0 beschädigte die Kühlsysteme und löste eine Überhitzung der Brennstäbe aus. Der anschließende Tsunami riss die Dieselmotoren fort, die eigentlich als Sicherheitssystem die Kühlung übernehmen sollten. Ein Betrieb mit Notbatterien reichte anschließend nicht aus, um Schlimmeres abzuwenden. Nach wie vor gibt es auch nach der neuen Explosion widersprüchliche Angaben über den Zustand der Reaktoren und ob Kernschmelzen eingesetzt haben.
Elf Arbeiter verletzt
TV-Sender zeigten am Montag Rauch über den Reaktorgebäuden. Elf Mitarbeiter wurden verletzt, teilte der Betreiber Tepco mit. Helfer hatten zunächst nach sieben Vermissten suchen müssen. Techniker in Fukushima arbeiteten seit Freitag daran, Druck abzulassen und eine Kernschmelze zu verhindern. Nach dem Ausfall der Kühlsysteme war die Temperatur der Brennstäbe außer Kontrolle geraten. Bereits vor der zweiten Explosion hatte es schlimme Nachrichten von den Anlagen gegeben: Der Betreiber Tepco meldete der Regierung abermals ein Überschreiten der erlaubten Höchstwerte, wie Kyodo berichtete.
Nach Beben in Tokio stark zu spüren
Das Nachbeben war auch in der Metropole Tokio kräftig zu spüren. Eine Reporterin der Nachrichtenagentur dpa berichtete von heftig wackelnden Gebäuden am internationalen Flughafen Tokio-Narita. Reisende seien erschrocken aufgesprungen. Mitarbeiter der Airlines riefen die Anwesenden auf, sich auf den Boden zu hocken. Auch nach dem Beben wurde das Abfertigen von Flugzeugen vorerst gestoppt.
Hunderte Leichen entdeckt
Nach Berichten der Agentur Kyodo wurden noch vor dem neuen Beben in der Präfektur Miyagi im Nordosten des Landes Hunderte weitere Leichen entdeckt. Die genaue Zahl der Toten war zunächst unklar; die Polizei sprach von 1000 Leichen in Onagawa in der Katastrophenregion Miyagi. Kyodo hatte davor von etwa 2000 Leichen berichtet. Es wird befürchtet, dass durch das Erdbeben und den Tsunami mehr als 10 000 Menschen getötet wurden. Mit Stand vom Montagfrüh deutscher Zeit hatten die Behörden 1627 Opfer identifiziert. Demnach gibt 1720 Vermisste. (Text: DPA, Red.)